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Ein Boxkampf für Patrioten

Von Katharina Schmidt

Politik

Die FPÖ lud die Europäischen Rechtsaußen-Parteien in die Pyramide in Vösendorf, das Publikum war begeistert.


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Vösendorf. "Moderne Völkerwanderung". Terrorismus. Dominanz der Konzerne. Europa der Nationen. Volksabstimmungen. Werte, Kultur, Identität. Ein paar Schlagworte hört man an diesem Abend immer wieder. Und immer wieder applaudiert die Menge.

Ganz eindeutig: Die FPÖ weiß, wie sie ihre Kundschaft bei Laune hält. Rund 2000 Menschen sind am Freitagabend in die Pyramide in Vösendorf gekommen, um dort beim "patriotischen Frühling" den europäischen Gästen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zuzujubeln. Schon am Nachmittag sorgte Straches Haus-und-Hof-Kapelle, die John Otti Band, für Stimmung. "Wir sind eine große Familie und wir wollen es bleiben", singt die Band, während sich die Fans aufwärmen und die vom Veranstalter bereitgestellten Österreich-Fähnchen schwenken. Heiß ist es, das Bier fließt, die Bierzelt-Atmosphäre, die stets Straches Wahlkampfveranstaltungen begleitet, lässt auch in der tropischen Kulisse der Pyramide nicht auf sich warten.

Für Europa, gegen Europa

Die Erwartungen an die Veranstaltung sind hoch: "Wir sind für ein vereintes Europa, wir wollen nicht austreten", sagt etwa ein junger Kleinunternehmer. Aber so wie jetzt könne es eben nicht weitergehen. Es brauche stärkere Staaten und weniger "Herrschaft der EU-Mafia". Auch eine ältere Dame meint: "Es ist einfach nicht in Ordnung, wie es läuft." Sie will noch mehr sagen, doch sie wird unterbrochen von martialischen Jubelklängen aus den Lautsprechern. Die Vertreter der rechtspopulistischen bis -extremistischen Parteien aus ganz Europa, die Straches Ruf nach Wien gefolgt sind, marschieren ein. Wie bei einem Boxkampf, von Bodyguards begleitet, die Fahnen ihrer jeweiligen Länder und – etwa im Fall des separatistischen flämischen Vlaams Belang – Regionen im Gepäck. Die Stimmung soll erhebend sein, sie wirkt beängstigend.

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Harald Vilimsky gibt den Moderator, er begrüßt einen nach dem anderen – die Vertreter von Vlaams Belang, italienischer Lega Nord, die britische Ex-UKIP-Mandatarin Janice Atkinson und Markus Pretzell von der Alternative für Deutschland. Ganz besonders frenetischen Applaus erntet neben Marine Le Pen, der Chefin des französischen Front National, der knapp unterlegene FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer. Vielleicht sogar ein bisschen mehr als Parteichef Strache selbst.

Nach der Vorstellungsrunde darf jeder ein kurzes Statement abgeben – immer geht es gegen "Massenzuwanderung", gegen Merkel, gegen Brüssel, gegen den Islam. Als Pretzell den Patriotismus beschwört und erklärt, dass Angela Merkel es den "deutschen Patrioten" nicht leicht machen würde, ihr Land zu lieben, bekommt er wütende Zustimmung aus dem Publikum. Auch, als er behauptet, die Hälfte der türkischstämmigen Deutschen würde die Scharia dem Grundgesetz vorziehen. Atkinson hingegen erzählt kaum etwas. Vor dem Hintergrund des Mordes an der Brexit-Gegnerin Jo Cox von der Labour Partei meint sie, sie habe ihre Kampagne für den Austritt der Briten aus der Union sistiert. Vilimsky ruft eine Schweigeminute für Cox aus, die Masse folgt. Dass der Anschlag auf die Britin einen rechtsextremen Hintergrund haben könnte, sagt keiner dazu.

Schuhplattler und Le Pen

Bevor der Abend mit den Reden Straches und Le Pens Reden seinen Höhepunkt findet, wird dem Publikum in der mittlerweile ohnehin schon stickigen und rauchgeschwängerten Luft noch einmal ordentlich eingeheizt. Diesmal tanzt eine Schuhplattler-Gruppe aus Oberösterreich einen "Radetzky-Cancan" – wohl um die rechte Achse Wien-Paris auch musikalisch zu untermauern.

Fast 19.30 Uhr ist es, als Le Pen endlich die Bühne betritt. Die Fans erheben sich von ihren Biertischen und zollen ihr Beifall – manche halten auch selbstgebastelte Schilder hoch. "Marine Présidente" steht da zu lesen. Die soziale Heimatpartei wird polyglott. Die Rede der französischen Rechtspopulistin ist eine leicht verlängerte Version jener Ansprache, die sie schon am Vormittag vor Medienvertretern gehalten hat: Den Brexit sieht sie als Chance, jene Menschen, die die Angst vor einem solchen Szenario schüren, hätten bloß Angst, dass "Großbritannien seine Freiheit wieder findet", meint sie und beschwört das Europa der Nationen. Und da sind sie wieder, all die Stichworte, die Applaus garantieren: Le Pen spricht von "wahnsinniger Immigrationspolitik", den viel zu "liberalen Dogmen der Union", sie beschwört Massenarbeitslosigkeit und Prekariat herauf, die Bedrohung der sozialen Sicherheit. Kurzum: "Die Europäische Union hat sich als komplettes Desaster herausgestellt."

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Am Vormittag hatte Strache noch betont, dass man die Union "von innen" reformieren wolle und sich damit sehr deutlich gegen die EU-Austrittshaltung des in der Fraktion "Europa der Freiheiten und Nationen" tonangebenden Front National gestellt. Am Abend ließ er dieses heikle Thema aus und beschränkte sich darauf, eine rosige Zukunft der Rechten zu zeichnen: Marine Le Pen habe reale Chancen, 2017 das französische Präsidentenamt zu übernehmen, Frauke Petry werde Merkel in Deutschland ablösen, Matteo Salvini von der Lega Nord werde in Italien das Ruder übernehmen und er, Strache, werde Bundeskanzler. Strache betonte die Gemeinsamkeiten der rechtspopulistischen Gruppierungen in Europa – zum Beispiel, natürlich, den Kampf gegen die "Zentralregierung in Brüssel". Den Linken warf er Hetze vor: "Der neue Faschismus kommt von Links und vom radikalen Islamismus", sagte er sehr zur Freude seiner Anhänger.

Auf das Bad in der Menge mussten sowohl Le Pen als auch Strache verzichten – "aus Sicherheitsgründen", wie es hieß. Die Menge wurde mit einer Pyrotechnikshow entschädigt, bevor man zufrieden von dannen zog. "Super war es", meinen etwa zwei Wienerinnen nach der Veranstaltung. Sie haben Angst vor den Flüchtlingen, vor allem vor den jungen Männern. "Strache kann uns da helfen", glauben sie. Die Eine hat früher gar nicht gewählt, die Andere die SPÖ. Jetzt schunkeln sie beim "Patriotischen Frühling".