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Wahlkampfevent mit Spindelegger und Karas: Absage an Schuldenpolitik und an rasche Steuerreform.
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Wien. Im August 2001 brannten die Wiener Sophiensäle bis auf die Grundmauern ab. Kein Wunder also, dass man in der erst im Dezember wiedereröffneten Eventlocation etwas sensibel ist, was Feuer angeht. Da kann es schon einmal passieren, dass der Feueralarm versehentlich losgeht. Oder auch zweimal, wie am Donnerstagvormittag. Das war dann aber schon das einzig wirklich Überraschende bei den "Reden zu Europa und Österreich", zu denen ÖVP-Chef Michael Spindelegger und Europa-Spitzenkandidat Othmar Karas 800 Parteifreunde in die Sophiensäle geladen hatten. Ansonsten schworen Spindelegger und Karas ihre Leute mit bekannten Positionen auf die finalen Tage bis zur EU-Wahl ein.
Karas präsentierte sich als glühenden Europäer - er "brenne im Herzen", erklärte er, als der Feueralarm losging - und verwies vor allem auf die historischen Leistungen der Europäischen Union. Die EU sei ein Friedens- und Freiheitsprojekt, "aber das gibt es nicht zum Nulltarif", sondern nur durch Kooperation.
"Schulden sind dasUnsozialste überhaupt"
Aus Karas’ Sicht muss Europa "keine reine Freihandelszone" sein, aber auch "kein europäischer Superstaat". Der Vizepräsident des europäischen Parlaments plädierte für "ein Europa der Werte, der ökosozialen Marktwirtschaft". Dieses müsse aber seine wirtschaftliche Stärke durch verstärkte Integration in den Bereichen Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung in politische Stärke umwandeln. Außerdem soll Europa zum "Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstandort Nummer eins" werden.
Die kommende Wahl ist für Karas "eine Richtungsentscheidung" im doppelten Sinn: Es gehe darum, die Gemeinschaft zu stärken oder - ein Seitenhieb gegen die FPÖ - Österreich zu isolieren; es gehe darum, Österreich wettbewerbsfähig zu machen oder - eine Spitze gegen die SPÖ - eine Zukunft auf Schulden aufzubauen. "Schulden sind das Unsozialste überhaupt", so Karas weiter, und "ein Raubbau an der Zukunft und den Chancen der Jungen."
Spindelegger nahm das Stichwort Schulden gerne auf. Um hier eine Trendwende zu schaffen, arbeite er mit seinem Team "wie im Bergwerk, Tag und Nacht, ohne Schichtwechsel" - angesichts des Grubenunglücks in der Türkei ein etwas unglücklicher Vergleich. Doch es sollte der einzige Patzer in der Rede bleiben.
Hatte Spindelegger in seiner Rede vor einem Jahr noch den Steuerplänen der SPÖ eine klare Absage erteilt, sprach er sich am Donnerstag gegen die Steuerreformpläne des Koalitionspartners aus. Auch die ÖVP sei für eine Steuerreform, so Spindelegger, aber halt erst später, "in der Perspektive". Dann sollen der Eingangssteuersatz gesenkt und Familien entlastet werden - ohne neue Steuerbelastungen. Daher müssten zuerst die Grundlagen für eine Steuerreform geschaffen werden, denn "mit Populismus macht man keinen Euro locker". Spindelegger hofft daher auf Strukturreformen im Bereich der Pensionen, Bürokratie, Länderkompetenzen und Förderungen.
Zuletzt war der Ton zwischen SPÖ und ÖVP ob der Frage der Steuerreform merklich rauer geworden und hat die Zusammenarbeit erschwert, wie ein Beteiligter der "Wiener Zeitung" verriet. In der ÖVP hofft man, dass das vor allem dem Wahlkampf geschuldet ist und nach dem 25. Mai wieder ein gemäßigteres Klima herrscht.
Die Basis erreicht,auch ohne Neuigkeiten
Auch die skurrile Debatte um den 1. Mai - Familienministerin Sophie Karmasin hatte am Mittwoch vorgeschlagen, statt des Tags der Arbeit den 15. Mai als Tag der Familie zum Feiertag zu machen, und sich damit die Empörung der SPÖ zugezogen - gehört zweifellos zu den der Wahl geschuldeten Störfeuer. Trotzdem griff Spindelegger das Thema auf: Der 1. Mai als Tag der Arbeit sei wichtig, aber es sei eben auch der Tag der unbezahlten Arbeit, von daher könne man ihn als Tag der Arbeit und der Familie begehen. Die SPÖ will davon freilich nichts wissen.
Bei den Zuschauern kamen Spindelegger und Karas auch ohne neue Inhalte gut an. Etwas zu lang sei es gewesen, bemerkte einer, "überinszeniert" fand es ein anderer. Aber inhaltlich erreichten die Redner ihre Basis.
Die anderen Parteien ließ der Event der ÖVP kalt. Nur die Grünen reagierten. Generalsekretär Stefan Wallner bezeichnete Karas’ Wunsch, dass Europa zum Bildungsstandort Nummer eins werden soll, als "Hohn", angesichts der von Spindelegger verordneten Kürzungen. Dessen "Budget ist Raubbau an der Zukunft der Jungen", so Wallner.