Zum Hauptinhalt springen

Ein Brief aus Kasachstan

Von Edwin Baumgartner

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Eben erreicht unsere Redaktion die Kopie eines verzweifelten Briefs, den der kasachische Kulturschaffende Ulukbek Schumagulow an den Intendanten der Mailänder Scala, Alexander Pereira richtet.

"Sehr geehrter Herr Pereira, was hat Ihnen das Volk Kasachstans angetan? Hat Ihnen das Pferdefleisch im Beschbarmak nicht gemundet? Ich gebe zu: Pferdefleisch ist nicht jedermanns Sache, aber gerade in Mailand sollten Sie das nicht ins Treffen führen - Sie erinnern sich: Pferdefleischskandal und so...

Doch mir geht es nicht um das schmackhafteste Reittier der Welt, sondern um Franco Zeffirelli. Sie verkaufen dem ehrwürdigen Opernhaus unserer ehrwürdigen Hauptstadt Astana seine ,Aida‘-Inszenierung. Seien Sie ehrlich: Sie entsorgen sie bei uns. Sie sind ein Meister der Verhandlung, ich weiß. Haben Sie unseren Künstlern gezeigt, was auf sie zukommt? Glauben Sie wirklich, wir leben noch in Jurten, dass Sie eine solche Inszenierung bei uns abladen können? Warum verkaufen Sie sie nicht an einen Ägypten-Erlebnispark für Kinder? Oder an ein Naturkundemuseum? - Das kann dann Saurier hinein-stellen. So ungefähr kommt das ja hin: mesozoische Tiere in steinzeitlicher Inszenierung, meine ich.

Kasachstan darf nicht zur Inszenierungsendlagerstätte werden. Sonst schickt uns die Wiener Staatsoper noch ihr ,Schlaues Füchslein‘. Das wäre wirklich das Ende der kasachischen Kultur. Dann heißt’s: ,Zurück in die Jurte.‘

P.S.: Ich hoffe, die beigelegte Dose allerfeinstes Pferdefleisch kann Sie zum Umdenken bewegen."