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Ein brillanter Plan, an menschlichen Unzulänglichkeiten gescheitert

Von Walter Hämmerle

Analysen

Der Plan war ziemlich gut, ja wahrscheinlich sogar ausgezeichnet. Allerdings hat sich die Realität nicht an das Drehbuch gehalten. Politik - auch in ihrer armseligen Ausprägung als Parteipolitik - ist und bleibt ein höchst dynamischer, komplexer Prozess, der nicht vom Anfang bis zum Ende steuerbar ist.


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Die Entwicklung der Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Tatsächlich hat diese Forderung das Potenzial für einen Wahlkampfschlager. Der Wiener Bürgermeister hat das - wie so oft - als Erster erkannt. Die SPÖ ist ihm gefolgt, die ÖVP wurde auf dem falschen Fuß erwischt; dass das auch für den Verteidigungsminister und den Bundespräsidenten gilt, wurde offensichtlich von den Strategen als akzeptabler Kollateralschaden in Kauf genommen.

Die Forderung nach einer Volksabstimmung trieb insbesondere der Volkspartei den Angstschweiß ins Gesicht: Die 2010 arg gebeutelte Partei kann es sich kaum leisten, im eigentlich wahlfreien Jahr 2011 erneut eine Absage an den Urnen zu erhalten. Und vieles spricht dafür, dass im Fall des Falles eine Mehrheit für die Abschaffung der Wehrpflicht stimmen würde.

Eigentlich eine perfekte Konstellation für die SPÖ, die ÖVP fand sich - noch dazu relativ orientierungslos - in der Defensive wieder. Und die Kanzlerpartei war gewillt, den Koalitionspartner in dieser Frage nicht mehr aus der Ecke zu lassen: Eine Experten-Enquete wurde veranstaltet, Norbert Darabos präsentierte sein Modell .. . bis plötzlich die kontrollierte Offensive der SPÖ aus dem Ruder lief.

Die Eskalation der Situation, die durch die Amtsenthebung von Generalstabschef Edmund Entacher vonstatten ging, hat die Situation für die beteiligten Parteien auf den Kopf gestellt: Die SPÖ hält zwar immer noch ein prinzipiell populäres Thema besetzt, findet sich jetzt aber in der Defensive wieder: Der Verteidigungsminister ist schwer angeschlagen, von der Mehrzahl der Medien und den anderen Parteien hagelt es Aufforderungen zum Rücktritt, sogar der Bundespräsident lässt seinen Ärger über das Vorgehen des Ministers offen durchblicken.

Nun ist es an der SPÖ, das Gesetz des Handelns wieder zurückzugewinnen, gilt es doch den Vorwurf, die Kampagne zur Abschaffung der Wehrpflicht sei aus rein parteitaktischen Motiven erfolgt, zu widerlegen. Und damit steigen auch die Chancen auf einen sachpolitischen Konsens zwischen den beiden Regierungsparteien.

Ein solcher bedarf jedoch ausreichender Zeit. Glaubwürdige Konzepte für Ersatzlösungen zu Wehrpflicht und Zivildienst auszuarbeiten, ist keine Frage von Wochen, sondern von Monaten. Das gilt auch für die anschließende öffentliche Diskussion. Für Zeitdruck gibt es hier keine Argumente - es sei denn parteipolitische.