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Berlin - Mit einer Kranzniederlegung und Gedenkveranstaltungen wurde Montag und Dienstag des 10. Todestages des langjährigen Vorsitzenden der SPD und Präsidenten der | Sozialistischen Internationale (SI), Friedensnobelpreisträgers und Ex-Bundeskanzlers Willy Brandt gedacht.
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Bundeskanzler und SPD-Vorsitzender Gerhard Schröder legte gemeinsam mit SI-Präsident Antonio Guterres und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am Grab seines Vorgängers einen Kranz nieder. Bereits Montag Abend hatte bei einer Gedenkfeuer in Brandts Geburtsstadt Lübeck der Schriftsteller Günter Grass die deutsche Regierung aufgefordert, Brandts politische Konzepte zur Grundlage ihrer politischen Arbeit zu machen.
Nationalratspräsident Heinz Fischer würdigte Dienstag Willy Brandt als "großen, in Deutschland geborenen Europäer" und als "Symbol für die Dramatik des 20. Jahrhunderts und Symbol dafür, dass die demokratische, europäische Gesinnung sich letztlich als stärker erwies, als Krieg, Völkerhass, Nationalsozialismus und Stalinismus."
Der am 18. Dezember 1913 in Lübeck geborene Willy Brandt war am 8. Oktober 1992 in Unkel einem Krebsleiden erlegen. Wegen seiner nichtehelichen Geburt und seiner Emigration nach Skandinavien in der NS-Zeit war er von politischen Gegnern in zahlreichen Wahlkämpfen immer wieder heftig verunglimpft worden. Brandt, der während seiner Emigrationszeit als Journalist arbeitete - u.a. berichtete er über den spanischen Bürgerkrieg - knüpfte während der Kriegsjahre enge Verbindungen zu skandinavischen Sozialdemokraten und anderen Emigranten unter ihnen Bruno Kreisky, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 1947 ließ er sich, den die Nazis ausgebürgert und der die norwegische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, wieder in Schleswig-Holstein einbürgern. Zehn Jahre später war er Regierender Bürgermeister in Berlin, wo er sich während der Krise nach dem Mauerbau 1961 internationales Ansehen erwarb. 1961 war er erstmals SPD-Kanzlerkandidat, 1964 übernahm er den SPD-Vorsitz, 1966 wurde er in der Großen Koalition Vizekanzler und Außenminister und 1969 Bundeskanzler. Er setzte die schon als Außenminister eingeleitete Aussöhnungspolitik mit dem Osten zügig gegen heftige Widerstände der Unions-Opposition fort. Symbolisch wurde diese Politik durch den berühmten Kniefall Brandts vor dem Ehrenmal im Warschauer Ghetto am 7. Dezember 1970 dargestellt. 1971 wurde Brandt für seine Leistungen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, was die deutsche Opposition aber nicht daran hinderte ihn im April 1972 per Misstrauensvotum stürzen zu wollen. Bei vorgezogenen Neuwahlen im November 1972 wurde die SPD erstmals zur stärksten Partei im Bundestag, Brandt stürzte aber schon eineinhalb Jahre später über die Spionageaffäre Guillaume. Er trat am 7. Mai 1974 von seinem Amt als Kanzler zurück, blieb aber bis 1987 SPD-Vorsitzender. 1976 war er als Nachfolger von Bruno Pittermann zum Präsidenten der Sozialistischen Internationale gewählt worden, an deren Spitze er bis September 1992 stand und wegweisende Anstöße für die internationale Politik gab. Die deutsche Wiedervereinigung - Krönung seines Lebenswerks - konnte er noch miterleben. "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", hatte er in den Novembertagen 1989 nach dem Fall der Berliner Mauer befriedigt festgestellt.