Rechnungshof-Präsident fordert Reformen und mehr Transparenz in der Verwaltung.
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"Wiener Zeitung": In den Koalitionsverhandlungen taucht eine Budgetlücke von 18 bis 30 Milliarden Euro auf. War die absehbar?Josef Moser: Österreich hat sich verpflichtet, bis 2016 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erbringen. Das ist nur möglich, wenn vorher Strukturreformen gemacht werden. Da diese in vielen Bereichen noch ausstehen, ist ganz klar, dass eine Lücke entsteht.
Welche Reformen sind nötig?
Es sind in vielen Bereichen Reformen nötig - bei Pensionen, Förderungen, Gesundheit, Sozialem, Pflege und insbesondere bei der Bildung.
Bei den Pensionen wurde schon viel getan. Reicht das aus?
Es gibt nach wie vor keine Beitrags- und Leistungsgerechtigkeit. Die Harmonisierung wurde in vielen Bereichen nach wie vor nicht umgesetzt. Bei den Sozialversicherungsträgern wurde ein Harmonisierungspotenzial von 1,4 Milliarden Euro nicht gehoben, bei Nationalbank, ÖBB, ORF sowie in einigen Ländern und Gemeinden gibt es noch Potenzial.
Sie haben auch die Bildung angesprochen: Das wenige, was aus den Regierungsverhandlungen dringt, klingt nicht nach großem Wurf.
Es sollte zu denken geben, dass Österreich überdurchschnittlich viel Geld in den Bildungsbereich investiert, aber der Output unterdurchschnittlich ist. Das heißt, das Geld muss irgendwo im System verloren gehen - beim Schüler kommt es nicht an. Wir haben gerade im Bildungsbereich einen Strukturmangel: Der eine finanziert, der andere gibt das Geld aus. Das ist nicht tragbar.
Der RH schlägt immer wieder Reformen vor, zuletzt hat er ein Konvolut mit 599 Ideen präsentiert. Kommt da noch etwas?
Wir weisen immer wieder darauf hin, dass der Zeitraum, um Österreich zukunftsfit zu machen, immer kleiner wird. Umso schlimmer werden die Reformen ausfallen. Will man den Generationenvertrag aufrechterhalten, muss man jetzt die Reformen machen. Es ist schon fünf nach zwölf.
Abgesehen davon: Wird es ein Sparpaket geben?
Wenn wir eine Lücke haben, heißt es immer, dass eine Reform nicht sofort greift und man daher einnahmenseitig die Lücke füllen will. Wenn man aber ein Fass mit lauter Effizienzlöchern hat, dann kann man oben hineinschütten, was man will - es verliert sich wieder in den Löchern. Außerdem ist unsere Abgabenquote von 42,7 Prozent ohnehin schon sehr hoch.
Sie sind gegen Steuererhöhungen?
Das ist eine politische Entscheidung. Ich kann nur darauf hinweisen, dass das Geld verloren geht, wenn man die Effizienzlöcher nicht stopft.
Der Rechnungshof selbst hat nach dem Finanzrahmengesetz bis 2016 eine Lücke von sieben Millionen Euro. Wie werden sich die geplanten Kürzungen auf die Prüftätigkeit auswirken?
Wir haben schon eine Strukturreform durchgeführt und, obwohl die Prüfkompetenz bei den Gemeinden ausgeweitet wurde, eine Rücklage von 5,4 Millionen Euro angespart. Nun müssen wir die Dienstgeberbeiträge auch noch selbst zahlen. Bei einem Budget von 30 Millionen jährlich sind sieben Millionen bis 2016 ein erklecklicher Betrag. Wir können einen Teil davon aus der Rücklage bedecken, einen Teil aber nicht. Da wir in der Zwischenzeit auch neue Kompetenzen bekommen haben, heißt das, dass wir weniger prüfen können. Die Politik muss entscheiden, ob man nun weniger Transparenz haben will, obwohl man gerade jetzt sieht, wohin das geführt hat. Wir haben enorme Output-Steigerung bei gleichen Kosten geschafft. Aber mehr geht nicht.
Was heißt das konkret?
Wenn es bei dem Budgetpfad bleibt, heißt das, dass wir mehr Aufgaben mit weniger Personal erledigen müssen. Dazu kommt, dass die Aufgaben, die wir durch das Parteiengesetz und das Medientransparenzgesetz bekommen haben, keine klassischen Prüfaufgaben sind. Das heißt, dass wir Personal aus der Prüftätigkeit abziehen und für administrative Tätigkeiten einsetzen müssen. Damit wird weniger kontrolliert. Ich halte das für grob fahrlässig, aber die Politik muss das entscheiden.
Wie viele Prüfungen weniger gibt es dann?
Die Aufgaben alleine aus dem Medientransparenzgesetz haben 2012 und im ersten Halbjahr 2013 die Ressourcen von 14 Follow-up-Überprüfungen verschlungen. Dazu kommen die Aufgaben aus dem Parteiengesetz, das ist enorm viel Verwaltungstätigkeit.
Wenn im Herbst 2014 die ersten Rechenschaftsberichte der Parteien vorgelegt werden, kann der RH nach dem neuen Parteiengesetz Zweifel anmelden und einen weiteren Wirtschaftsprüfer mit der Nachkontrolle beauftragen. Wie hoch ist der zusätzliche Aufwand durch das neue Parteiengesetz?
Es ist bezeichnend, dass der RH nicht selbst inhaltlich prüfen kann. Wir können nur neuerlich einen Wirtschaftsprüfer beauftragen und, wenn wir der Meinung sind, dass es nicht passt, dies an den Parteien-Transparenz-Senat weitergeben. Das ist enorm viel Bürokratie. Es ist aber keine Prüftätigkeit, sondern eine quasi-notarielle Tätigkeit, die bei weitem nicht die Wirkung entfalten kann, die sie entfalten soll. Wenn der RH nicht selbst prüfen kann, dann brauche ich auch keinen Stempel "rechnungshofgeprüft".
Reicht die Meldung von Parteispenden über 50.000 Euro aus oder müssten nicht auch Darlehen gemeldet werden, um eine Umgehung der Offenlegungspflicht durch eine spätere Umwandlung in eine Spende zu vermeiden?Volle Transparenz ist sicher sinnvoll. Gerade beim Parteiengesetz sind viele Fragen offen - auch bei den Wahlwerbungskosten oder den Personenkomitees reicht das derzeitige Instrumentarium sicherlich nicht aus.
Das Gesetz sieht auch Verwaltungsstrafen vor. Die Verjährungsfrist ist im Verwaltungsstrafbereich aber nur ein Jahr.
Das ist sicher ein Problem. Der Rechenschaftsbericht ist bis Ende September des darauffolgenden Jahres zu legen, dann prüfen wir, dann geht es wieder zurück an die Partei, allenfalls zu einem weiteren Wirtschaftsprüfer und zum Parteien-Transparenz-Senat. Das kann sich absolut nicht ausgehen. Es ist sicherlich zweckmäßig, hier nachzuschärfen.
Apropos Transparenz: Was halten Sie von einem Transparenzgesetz?
Alles, was der Transparenz dienlich ist, wird natürlich vom RH unterstützt. Ein Weg wäre auch, im Rahmen eines Corporate-Governance-Kodex Bezüge von öffentlichen Funktionären transparent zu machen. Das ist ein Weg, Korruption einzuschränken.
Sollte man Dokumente, die in den Verwaltungsbehörden anfallen, in einer Datenbank offenlegen?
Das ist zu diskutieren. Die Transparenz soll so weit gehen, dass die Rechte der Einzelnen nicht beeinträchtigt werden. Aber überall dort, wo öffentliches Handeln stattfindet, wo der Staat dem Bürger gegenübertritt, hat der Bürger ein Recht zu wissen, was der Staat warum macht und wie er mit seinem Steuergeld umgeht.
Sollte man die Prüfgrenze für den RH von derzeit 50 Prozent Staatsbeteiligung heruntersetzen?
Das wäre notwendig. Das ist etwa bei der Telekom ein Problem oder bei anderen staatsnahen Unternehmen. Es wäre nötig, dass der RH dort prüfen kann, wo die Beteiligung der öffentlichen Hand bei mehr als 25 Prozent liegt. Wo Steuergeld da ist, darf es keine Prüfungslücken geben.
Wäre auch eine Ausweitung der Prüfkompetenzen auf Gemeinden unter 10.000 Einwohner sinnvoll?
Das ist auf jeden Fall zweckmäßig, schon als Schutz für die Gemeinden, die gerade in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben zu bewerkstelligen haben.
Wann ist mit einem Abschluss der Prüfung der Hypo Alpe Adria Notverstaatlichung zu rechnen?
Das ist derzeit noch nicht absehbar, da es auf den Verlauf der Prüfung ankommt.
Zur Person
Josef Moser
Der 58-jährige gebürtige Osttiroler hat in Wien in Rechtswissenschaften promoviert. In den 1990er Jahren war er unter Jörg Haider in Kärnten tätig, später zehn Jahre Klubdirektor des FPÖ-Parlamentsklubs. Seit 2004 ist Moser Präsident des Rechnungshofs. Er ist verheiratet und Vater eines Kindes.