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Ein Bundespräsident, der dem Blitzlicht ausweicht

Von Markus Brotschi

Politik

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Anders als sein Vorgänger Adolf Ogi ist Moritz Leuenberger, der neue Schweizer Bundespräsident, kein Mann volkstümlicher Auftritte. Der Sozialdemokrat gilt als zielstrebiger Fachminister, der das Scheinwerferlicht meidet. Als Verantwortlicher für Kommunikations- und Verkehrsinfrastruktur hat er in seiner Partei einen schweren Stand.

In der Person des 54-jährigen Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsministers aus Zürich folgt im Amt des Bundespräsidenten für 2001 ein Kontrastprogramm zu Ogi, dem "Bergler" aus Kandersteg. Den aufmunternden Parolen Ogis zu positivem Denken und Handeln stehen die geistreichen, humorvollen Reden und der gelegentlich launische Auftritt des Juristen Leuenberger gegenüber. Die versammelte Journalistenschar lässt er, manchmal leicht genervt, spüren, dass ihm die Arbeit ohne Blitzlichter, Mikrofone und Kameras lieber wäre. Mit Ironie und spitzen Bemerkungen hat er die Lacher aber dennoch auf seiner Seite. Seine gradlinige Karriere lässt hinter der scheuen Fassade auf einen ehrgeizigen Menschen schließen.

Moritz Leuenberger ist am 21. September 1946 in Biel als Sohn eines Theologen geboren und aufgewachsen. Das Gymnasium besuchte er in Basel. Bereits 1970 begann er an der Universität Zürich zu politisieren, wo er dem Kleinen Studentenrat angehörte. Mit 26 erwarb er das Anwaltspatent und eröffnete eine Kanzlei. Im selben Jahr wurde er zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (SP) in der Stadt Zürich gewählt. Schon damals hatte er sich mit harten innerparteilichen Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaftern und Intellektuellen um den Kurs der Partei auseinanderzusetzen, bis er 1980 als Präsident der Stadtpartei zurücktrat. Anfang der 80er Jahre kritisierte er insbesondere die Haltung der SP zu den Jugendunruhen.

Seine Ämterkarriere verlief dagegen ohne Störung. Von 1974 bis 1981 war Leuenberger Mitglied des Zürcher Stadtparlaments, 1979 wurde er in den Nationalrat gewählt. Dort wurde er unter anderem Mitglied des SP-Fraktionsvorstandes, Mitglied der Finanzkommission, Präsident der Geschäftsprüfungskommission und Präsident der Kommission zur Revision des Aktienrechts.

Als Präsident der Parlamentarischen Untersuchuchungskommission zur "Fichenaffäre", bei der es um Verstöße der Geheimdienste gegen den Datenschutz ging, holte er sich 1987 Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg und ebnete sich den Weg in den Bundesrat (Regierung). Zunächst folgte aber 1991 als Zwischenschritt die Wahl in den Zürcher Regierungsrat. 1995 wurde er als Nachfolger von Otto Stich in die Bundesregierung gewählt.

Als Verkehrsminister verteidigte Leuenberger die Schweizer Verkehrspolitik gegenüber der EU. Bei der Privatisierung von Post und Bahn geriet er immer wieder in Konflikt mit seiner Partei. Jüngster Streitpunkt ist der Verkauf der Bundesmehrheit an der Swisscom. Leuenberger gehört zu einer SP-Minderheit, die sich einen gesicherten Öffentlichen Dienst auch ohne Staatsbetriebe vorstellen kann.