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Ein charmanter Golfer und Betrüger

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Richter schöpfte Strafmaß voll aus und warf Madoff zu wenig Kooperation vor. | Behörden ermitteln jetzt noch gegen zehn weitere Verdächtige. | New York/Wien. Die New Yorker Lehrerin Beckie Sprague hatte ihre Meinung schon längst gefällt: "Ein altes fettes Schwein." Auch wenn sie persönlich keine Geschädigten von Bernard L. Madoff kennt, Sprague hätte gerne etwas Blut gesehen. Der New Yorker Richter hat zwar am Montag mit 150 Jahren die Höchststrafe über den 71-jährigen Ex-Broker verhängt. Aber "150 Jahre sind zu wenig. Und wer weiß, in welchem Gefängnis er unterkommt. Solche Leute richten sich es doch immer." Von der Wahl der Behörden hängt viel ab: Die Zustände und Sicherheitsauflagen in amerikanischen Gefängnissen sind höchst unterschiedlich.


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Madoffs Geschichte erregte die amerikanische Öffentlichkeit wie kaum eine andere. Seine "Vom Tellerwäscher zum Milliardär"-Geschichte endete am Montag mit einem Gerichtsurteil, wo sich Madoff für einen Betrug verantworten musste, der in seinen Ausmaßen beispiellos ist. Der Finanzjongleur veruntreute an die 65 Milliarden Dollar. Die genaue Schadenssumme ist allerdings noch immer nicht beziffert, da es den Ermittlern bis heute nicht gelungen ist, sein Schneeballsystem (siehe Artikel unten) komplett zu entwirren. Madoffs Verbrechen sei "außergewöhnlich teuflisch", erklärte demnach der Richter bei der Urteilsverkündung als er das volle Strafmaß - 150 Jahre Haft - ausschöpfte. Zudem könne er, der Richter, sich des Gefühls nicht erwehren, dass Madoff beileibe noch nicht alles gesagt hätte, was er in Wahrheit wisse.

Ehefrau wusste von nichts?

So behauptet Madoff weiterhin, seine Familie hätte nichts von seinen Machenschaften mitbekommen. "Ich kaufe das denen nicht ab. Die sollten alle in den Knast", meint allerdings John Brumfield, Journalist aus Pennsylvania bei der Prozessbeobachtung.

Einige Indizien sprechen zumindest gegen die Ehefrau: Im Februar wurde bekannt, dass Madoffs Frau Ruth 15,5 Millionen Dollar kurz vor Auffliegen des Betrugs von einer mit Madoff verbundenen Firma abgezogen hat, davon allein zehn Millionen Dollar nur einen Tag vor seiner Festnahme.

Im Zuge des Prozesses gegen Madoff wurden auch 85 Millionen Dollar aus dem Anlagevermögen seiner Frau Ruth eingezogen. Ihr bleibt nach der Beschlagnahme aber immerhin noch Bargeld in Höhe von 2,5 Millionen Dollar.

Tatsächlich scheint das Spektakel noch nicht vorbei zu sein: Wie am Dienstagnachmittag bekannt wurde, ermitteln die US-Behörden gegen weitere zehn Verdächtige aus Madoffs Umfeld.

Seine Frau Ruth (68) zog es vor, nicht zum Prozess zu erscheinen. "Dieser Mann ist nicht mehr der Mann, den ich in all den Jahren kannte." Die gemeinsamen Söhne waren es, die den Betrug ihres Vater im Dezember 2008 gemeldet hatten - gleich nachdem nachdem Madoff ihnen seinen Bluff gebeichtet hat.

Ob seine Familie nun in das Fadenkreuz der Fahnder gerät, ist noch nicht bekannt. Doch in der Öffentlichkeit sind sie für immer in Ungnade gefallen.

Bernard Lawrence Madoff wird in den Medien bisweilen der "Adolf Hitler der Finanzszene" genannt. Denn der eine Stamm-Country-Club in Palm Beach, wo Madoff seine Kontakte beim Golfen eingefädelt hat, haben alle Mitglieder jüdische Wurzeln.

Und es erklärt, weshalb die meisten seiner Opfer, neben Banken und Fonds, Juden bzw. jüdische Wohltätigkeitsorganisationen waren. Letztere empört nicht nur der finanzielle Verlust, sondern auch die Enttäuschung darüber, dass ein Jude andere Juden um ihr Vermögen und die Ersparnisse gebracht hat.

Holocaust-Stiftung pleite

Der Nobelpreisträger Elie Wiesel etwa, der die Nazi-Todeslager Buchenwald und Auschwitz überlebte, sagt, er könne Madoff niemals verzeihen. Neben privatem Geld habe Wiesels Holocaust-Stiftung rund 15 Millionen Dollar und damit fast ihr gesamtes Vermögen verloren.

Zu Beginn der Sitzung kamen stellvertretend einige Opfer zu Wort. Manche verloren ihre gesamten Ersparnisse und müssen sich nun mit staatlichen Essensmarken durchschlagen. "Keine Gnade", zischte ein 63-jähriger Rentner. Seine Frau weine jeden Tag um das Leben, das sie durch den Betrug verloren hätten.

"Was mich am meisten erstaunt hat, war die Reaktion der amerikanischen Öffentlichkeit", meint der Reporter Harold Brubaker gegenüber der "Wiener Zeitung". "Ich bin überall nur fieser Schadensfreude begegnet, dass man nun den ehemals Reichen beim Leiden zusehen kann."

Siehe auch:

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