Computer hätten die Wirtschaft weitaus weniger revolutioniert als große Erfindungen davor · und sie würden keine Steigerung der Produktivität garantieren. Diese Thesen vertrat der US-amerikanische | Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Northwestern University, Robert J. Gordon, am Freitag bei einem Referat in der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB), zu dem ihn | der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky in seiner Funktion als Präsident des Bruno Kreisky Forums für Internationalen Dialog eingeladen hatte.
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Nach der Erfindung von elektronischen Datenverarbeitungssystemen habe es keine größeren Produktivitätsschübe mehr gegeben · dennoch seien Computer das Herz der sogenannten "Neuen
Wirtschaft" und hätten Vorteile wie etwa den Abbau rein physischer Arbeit gebracht.
Warum Computer keine Revolution in Sachen Produktivitätssteigerung ausgelöst hätten, schreibt Gordon u.a. dem Umstand zu, dass vor allem der Dienstleistungssektor "immun" dagegen sei · auch die
Einsatzmöglichkeiten von Computern seien begrenzt. Besonders das vielbeschriebene Jobwunder in den USA basiere auf minderqualifizierten Niedriglohnjobs im Service-Bereich · in Europa wenig
üblich sei eigenes Personal zum Auto-Parken, zum Einpacken der Einkäufe im Supermarkt oder zum Wasserglas-Nachfüllen im Restaurant · hier wie da wohlbekannt seien aber Zimmermädchen in Hotels, und:
"Ein Computer wird niemals die Betten machen". Viel schlechter als in Europa sei das Sozialsystem, zeigt Gordon Schattenseiten der blühenden US-Wirtschaft auf. Umverteilung ist dort wenig gefragt: In
den letzten 20 Jahren hätte nur 1% der arbeitenden Bevölkerung die Hälfte der realen Einkommenserhöhungen lukriert. Er, Gordon, nenne das die "Theorie der drei Michaels": Die Geldscheffler
seien Führungskräfte in der Wirtschaft wie Michael Eisner (Walt Disney-Gruppe), Stars der Unterhaltungsbranche wie Michael Jackson und Spitzensportler wie Basketballer Michael Jordan. Dagegen stünden
rund 1 Million Einwanderer pro Jahr, die die Niedriglohnjobs ausfüllen und "auch ihre Steuern zahlen".
Die Computerisierung jedenfalls könne Arbeitsmarktprobleme nicht lösen. Ausser der Computerindustrie helfe niemandem, dass Schnelligkeit und Speicherkapazität der elektronischen Helfer ständig erhöht
würden, denn: "Auch wenn mein neuer Computer 18 Mal schneller ist als der alte, kann ich nicht 18 Mal schneller schreiben". Computer seien vom menschlichen Benutzer abhängig und der Mensch
sei nun einmal begrenzt in seiner Leistungsfähigkeit.
Die Entwicklung der Informationstechnologie (IT) habe weder die multifaktorielle Produktivität noch die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in den USA in den vergangenen 10 Jahren wesentlich
verstärkt. Viel signifikanter hätten sich dagegen der allgemeine Wissensanstieg · vor allem im Bereich Medizin/Pharma · und fünf Gruppen von Erfindungen · Elektrizität, Verbrennungsmotor,
Erdöl/Chemie, elektrische/elektronische Kommunikation, Sanitär-Infrastruktur · ausgewirkt und die Wirtschaft · Stichwort Industrialisierung · wie auch das Leben jedes einzelnen massiv verändert.
Zum Gutteil würden Computer im Wettbewerb der Unternehmen eingesetzt, um Marktanteile zu halten oder auszubauen und nicht, um die Produktivität zu steigern · insgesamt ein Nullsummenspiel,
meint Gordon. Die Entwicklung des Internet und des World Wide Web würde hauptsächlich den Einsatz von mehr Leuten zur Erfüllung der selben Aufgaben wie davor erbringen. Und die private Internet-
Nutzung würde bloß andere Unterhaltungsformen ersetzen.
Seine Thesen, so Gordon, würden in scharfem Kontrast zur weitverbreiteten Ansicht stehen, dass es eine "Neue Wirtschaft" gebe, die von den Folgen des Informations-Zeitalters geprägt sei. Hätten die
großen Erfindungen ein halbes Jahrhundert, das er zwischen 1915 und 1965 ansetzt, des rapiden Produktivitätswachstums ermöglicht, so hätte sich dessen Entwicklung seither verflacht.
Was aber nicht so schlimm sei, weil offenbar ein langsameres Produktivitätswachstum, hohe Beschäftigtenzahlen, niedrige Inflation und ein moderates Wirtschaftswachstum gut nebeneinander bestehen
könnten.