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Ein Coup verdeckt die Basis-Sorgen

Von Walter Hämmerle

Politik

Demonstrativer Optimismus beim ÖVP-Vorstand. | Wien. Zum Feiern ist der ÖVP an diesem kalten Montagvormittag nicht zumute. Zwar gab es von vornherein keinen Zweifel, dass der Parteivorstand dem am Sonntag finalisierten Regierungsübereinkommen mit der SPÖ mit großer Mehrheit seinen Segen geben wird. Doch jeder in der ÖVP weiß, dass die Zukunft als Juniorpartner kein Honiglecken werden wird. | Mehr zum Thema: | Die Regierung | Herzstück in schwarzer Hand | Laufen, laufen, laufen - ins Finanzressort | Plassnik macht Weg für Spindelegger frei | Missbrauch des Asylrechts wird eingeschränkt | Erst orientieren, dann studieren | Agrarprogramm ohne konkrete Festlegungen | Steuermann im Wirtschafts-Taifun | Bawag-Richterin steigt zur Justizministerin auf | Reaktionen


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Als Tagungsort für die Vorstandssitzung fungierte das pittoreske Springer-Schlössl, Sitz der Politischen Akademie in Meidling. Für die wartenden Journalisten perfekt, haben sie doch aus der warmen Stube des dazugehörenden Hotel-Restaurants direkten Blick auf die eintreffenden Parteigranden. Diese sind diesmal fast vollzählig erschienen, nur der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl fehlte.

Gegen den Koalitionspakt mit der SPÖ votierten der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer, der steirische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und der Kärntner Obmann Josef Martinz, die restlichen 29 stimmten dafür.

Die Skepsis konnte aber auch dieses deutliche Ergebnis nicht verdecken. Manch einer mag es da auch als schlechtes Omen gesehen haben, dass am Vormittag des Öfteren das Licht ausging - Stromausfall. Aber auch dieses Problem bekam die neue ÖVP-Führung um Josef Pröll schließlich in den Griff.

Nach ihrem großen Auftritt am Sonntag im Parlament, als sie ihr Nein zum EU-Kompromiss verkündete, gab sich nun die scheidende Außenministerin Ursula Plassnik wortkarg. Auch Wilhelm Molterer ging kommentarlos durch die Journalistenmenge. Gesprächiger die Steirer Bartenstein und Schützenhöfer. Letzterer polterte: "Mit dieser SPÖ, mit diesem Herrn Faymann als Kanzler ist kein Staat zu machen." Sein Schlusssatz "aber vielleicht irre ich mich ja" wirkte da nicht mehr abmildernd.

Josef Pröll, designierter Vizekanzler und ÖVP-Chef, hat es verschmerzt. Mit der Präsentation von Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner als unabhängiger Justizministerin gelang ihm ein regelrechter Coup. Das Springer-Schlössl betrat sie an diesem Tag unbemerkt von den Journalisten durch eine Hintertür.

Die Schlagzeile des Tages hatte Pröll sich damit gesichert und entsprechend strahlend präsentierte er nach knapp zweistündiger Sitzung sein Regierungsteam. Ob er den Koalitionspakt nun auch am ÖVP-Parteitag am Freitag in Wels, bei dem er zum Obmann gewählt werden wird, zur Abstimmung vorlegen wird, wurde Pröll dann noch gefragt. Nein, so die knappe Antwort, ihn und den Koalitionspakt gebe es nur im Gesamtpaket, "das eine ist ohne das andere nicht zu haben".

Was jetzt der ÖVP noch fehlt, ist ein Nachfolger für den künftigen Außenminister Michael Spindelegger als Zweiter Nationalratspräsident und ein neuer Generalsekretär für die Parteizentrale. Gut möglich, dass hier bereits heute, Dienstag, in der Klubsitzung Entscheidungen fallen. Als Kandidaten machen für den Parlamentsjob die Namen Fritz Neugebauer und Beatrix Karl die Runde - auch Molterer sei, falls er es denn selbst wolle, eine Möglichkeit.