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Ein Crash-Szenario inklusive

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Ein Schuldennachlass für Griechenland soll vermieden werden, die notwendige neue Hilfe benötigt aber in der Euro-Zone Einstimmigkeit. | Der Zusammenbruch "als mögliches Szenario". | Wien. Die Sitzung der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel wird vermutlich eine der heikelsten seit Einführung der gemeinsamen Währung. Der Bericht über das griechische Sanierungsprogramm von EU, EZB und Währungsfonds wird "sehr negativ" ausfallen, ist zu hören. Das Land kann die Auflagen nicht erfüllen, Knackpunkt sind - so Finanzexperten - vor allem die aufgetragenen Privatisierungen. | Griechen steht Privatisierungswelle bevor | Deutsche Doppelrolle: Zahlmeister und Profiteur | Möglichkeit der Staatsinsolvenz in drei Ländern


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Damit kommt Griechenland zweifach unter Druck: Die Auszahlung der nächsten Tranche am 1. Juli wackelt. Und der Plan, nächstes Jahr wieder auf den Finanzmarkt zurückzukehren, ist ad acta gelegt. Um also 2012 zu bestehen, wird Griechenland mindestens weitere 25 Milliarden Euro benötigen - also ein neues Programm. Andernfalls droht der Zusammenbruch. "Das ist ein mögliches Szenario", sagte ein hochrangiger EU-Beobachter zur "Wiener Zeitung". "Was passieren wird, das weiß kein Mensch."

Europäische Zentralbank, EU, Währungsfonds und die Finanzministerien in den EU-Ländern sind ziemlich am Ende ihrer Weisheit angelangt. Ein Schuldennachlass für Griechenland soll vermieden werden, das dafür notwendige neue Hilfsprogramm benötigt in der Euro-Zone aber einen einstimmigen Beschluss. Und davon soll man - so ist im Vorfeld der Sitzung am Montag zu hören - meilenweit entfernt sein.

In der Tat zieht sich die Schlinge immer enger um Griechenland zusammen: Der von Ratingagenturen in den Raum gestellte 50-prozentige Schuldennachlass würde zum Bankrott des griechischen Bankensystems führen.

Griechenland soll nochhärtere Auflagen erfüllen

"Die Rückwirkungen auf andere Länder, vor allem Portugal, sind ungewiss", räumte ein Banker ein. Dem Vernehmen nach wird am Montag versucht werden, Zeit zu gewinnen - ein beliebtes Spiel der EU-Finanzminister seit Ausbruch der Schuldenkrise.

So soll die Regierung in Athen gezwungen werden, noch härtere Spar- und Privatisierungs-Auflagen zu erfüllen, die Juli-Tranche könnte dann im August ausbezahlt werden.

Aus Athen gibt es dagegen heftigen Widerstand, allerdings haben die Griechen keine guten Karten - wie das Beispiel Island zeigte. Island weigerte sich, nachdem sein Bankensystem zusammengekracht war, Auflagen des Internationalen Währungsfonds im Gegenzug zur Finanzhilfe hinzunehmen. Nach etwa einer Woche wurde in Island das Geld knapp, die Ölrechnung konnte nicht bezahlt werden. Island gab nach und einigte sich mit dem IWF.

Die Finanzierung der Öl- und Gasimporte ist auch Griechenlands Achillesferse: Ohne Öl würde die Wirtschaft in Kürze stillstehen. Das Horror-Szenario, das sich niemand ausmalen mag, wäre das Eingeständnis der Regierung in Athen, zahlungsunfähig zu sein. Griechenland müsste dann zum sogenannten "Pariser Club" und dort mit seinen Gläubigern über eine Umschuldung verhandeln. Die Staatsanleihen würden rapide an Wert verlieren - genau wie beim vorgeschlagenen Schuldennachlass.

Die Geldversorgung des Landes müsste wohl die EZB in einem Notprogramm übernehmen - und am Ende müsste es einen Umschuldungsplan geben. Das Problem dabei: Ein Zusammenbruch Griechenlands hätte unabsehbare Auswirkungen auf andere Länder.

Inoffiziell ist zu hören, dass die Europäische Zentralbank kreuzunglücklich ist, dass Zahlungen aus dem Euro-Rettungsschirm nur einstimmig möglich sind. Das verlangsamt Entscheidungen, und Griechenland hat nur noch wenig Zeit. Besondere Bedeutung kommt bei der Sitzung am Montag Deutschland zu. "Wenn die Deutschen vorerst zu keiner weiteren Hilfe bereit sind, geht Zeit verloren", warnt ein EU-Diplomat.

Ein möglicher Ausweg aus der Misere: Die EU-Finanzminister erklären am Montag, Griechenland sei auf "gutem Weg". Sie könnten die Fertigstellung des Griechenland-Berichtes im Juli abwarten, und im August die fällige Tranche auszahlen. Allein die Verschiebung um einen Monat würde die Regierung in Athen in noch ärgere Finanznöte stürzen. Viel wird am Montag davon abhängen, wie kooperationswillig der griechische Finanzminister sein wird.

Schuldennachlass nachTrichet-Ablöse im Herbst?

Dafür gibt es bei Portugal Entspannung: Die Entscheidung in Helsinki, die europafeindliche Partei der "Wahren Finnen" nicht in die Regierung aufzunehmen, macht den Weg für die 78-Milliarden-Euro-Hilfe an Lissabon frei.

In Athen wird derweil auch überlegt, wie man die großen Vermögen stärker in die Budgetsanierung einbinden kann. Allein im Vorjahr sind mehr als zehn Milliarden Euro aus Griechenland abgezogen worden - eine Kapitalflucht in bisher unbekanntem Ausmaß. So soll es neue Steuern auf Immobilien-Besitz geben.

Diese Ideen brauchen Zeit, um umgesetzt zu werden, und ermöglicht es der EU, über den Sommer zu kommen. Denn - auch dies ist in Brüssel zu hören - ein Schuldennachlass für Griechenland könnte schon kommen, aber erst nach Ende der Amtszeit von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Das ist am 31. Oktober 2011 der Fall. Trichet ist strikter Gegner eines Schulden-Nachlasses.

Siehe auch:Wenn Gelddrucken nicht mehr hilft, brauchen Zentralbanken Staatsschutz

+++ Nowotny - 'Dauerhafte Lösungen brauchen ihre Zeit'