Belgrad - Der Kandidat der serbischen Opposition für die Präsidentschaft, der allem Anschein nach bei den Wahlen vom Sonntag einen überwältigenden Triumph errungen und Slobodan Milosevic klar geschlagen hat, sieht sich selbst als gemäßigter Nationalist à la Charles de Gaulle. Vor wenigen Monaten galt er außerhalb Serbiens noch als Unbekannter. Es ist ihm das Kunststück gelungen, aus 18 untereinander zerstrittenen oppositionellen Gruppen innerhalb von drei Monaten ein Oppositionsbündnis, die "Demokratische Opposition Serbiens" (DOS) zu gestalten, das in der Lage war, den lange Zeit unschlagbaren Slobodan Milosevic klar zu distanzieren.
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Der 56-jährige Kostunica hat eine lange politische Laufbahn als Regimegegner hinter sich. Als Assistent an der Belgrader Fakultät für Rechtswissenschaft war er 1974 in der Tito-Ära wegen Kritik am Entwurf der neuen jugoslawischen Verfassung entlassen worden. In den achtziger Jahren trat Kostunica als Mitglied des Ausschusses für Gedankenfreiheit zusammen mit anderen angesehenen Belgrader Dissidenten für Redefreiheit ein.
Dem Juristen, der als einer der wenigen serbischen Oppositionspolitiker niemals mit Milosevic paktiert hat, wird Geradlinigkeit nachgesagt. Kostunica war nie Mitglied der Kommunistischen Partei, er ist der einzige serbische Politiker, der in Umfragen von der Bevölkerung eher positiv als negativ beurteilt wird. Er hat auch nie mit dem Regime geliebäugelt. Wegen seines Auftretens als Intellektueller ist er auch unter Akademikern angesehen.
Im Jahr 1989 wurde in der Belgrader Wohnung von Kostunica, die dieser mit seiner Frau und 17 Katzen teilt, die "Demokratische Partei" als erste serbische Oppositionspartei gegründet. 1992 distanzierte er sich von seinen einstigen Parteifreunden wegen angeblicher Abweichung vom nationalen Kurs und gründete eine eigene gemäßigt nationalistische Partei, die Demokratische Partei Serbiens (DSS).
Obwohl er selbst zeitweise des extremen Nationalismus bezichtigt wurde, war Kostunica nie Anhänger der auch längere Zeit von der Opposition vertretenen These, wonach die Grenzen Serbiens dort lägen, wo serbische Gräber sind. Im Bosnien-Krieg unterstützte er Serben-Führer Radovan Karadzic, die Politik der reformorientierten montenegrinischen Führung ist ihm wegen ihres "Separatismus" suspekt. Kostunica kritisierte die Vorgangsweise der westlichen Staaten im Kosovo-Krieg, tritt aber für eine Wiederannäherung Serbiens an Europa ein
Im Wahlkampf hat er sich dagegen ausgesprochen, Slobodan Milosevic an das internationale Gericht in den Haag auszuliefern, das diesen wegen Kriegsverbrechen zur Verhaftung ausgeschrieben hat.