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Ein Debakel für Bill Clinton

Von Gabriele Chwallek

Politik

Washington · "Die ganze Welt schaut auf uns", hatte der Demokrat Joseph Biden vor der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch seine republikanischen Senatskollegen in Washington noch einmal | beschworen. Es half alles nichts, auch nicht die kürzliche öffentliche Schützenhilfe durch das europäische Spitzentrio Gerhard Schröder, Tony Blair und Jacques Chirac in der "New York Times" | . Nach einwöchiger verbaler Schlacht um den Atomteststopp-Vertrag bescherte das Oberhaus des US-Kongresses Präsident Bill Clinton eine der bittersten Niederlagen seiner Amtszeit.


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Für die Weltmacht USA hatte Clinton 1996 mit großen Fanfaren als Erster die Unterschrift unter den Text des Vertrages gesetzt, und danach erklärte er die Ratifizierung zu einem seiner

wichtigsten politischen Ziele. Am Ende waren Clintons Demokraten im Senat nicht nur weit von der erforderlichen Mehrheit von 67 Stimmen entfernt. Es fand sich nicht einmal eine einfache Mehrheit für

den seinerzeit als bahnbrechend gefeierten Vertrag.

Eine doppelte Schmach · aber das nicht nur für den 42. Präsidenten der USA, wie viele politische Kommentatoren bemerken. Ihr Urteil: In diesem Streit gibt es keine Sieger, es haben alle verloren.

Tatsächlich ist selten zuvor ein Thema von derart großem außenpolitischen Gewicht so offenkundig zu einem parteipolitischen Spielball geworden wie der Atomteststoppvertrag.

Die Situation · das ist ein republikanisch beherrschter Kongress, dessen Verhältnis zum Präsidenten nach dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren wegen der Lewinsky-Affäre auf einen absoluten

Tiefpunkt gesunken ist.

Die Republikaner werfen Clinton vor, die Frage der Ratifizierung mehr als zwei Jahre verschleppt zu haben. Sogar politische Freunde des Präsidenten räumen heute ein, dass das Weiße Haus nach 1996

praktisch nichts getan habe, um für den Vertrag zu werben.

Die Republikaner setzten die Ratifikation kurzfristig auf die Tagesordnung · wohl wissend, dass die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zu Stande kommen werde. Am Ende bekamen zwar viele Republikaner

angesichts des drohenden Ansehensverlustes für die USA kalte Füße und hätten gern die ganze Ratifizierungsdebatte vertagt, aber da hatte man sich schon zu sehr im eigenen parteipolitischen Gestrüpp

verfangen.

Clinton hatte in einer etwa einwöchigen Blitzkampagne noch zu retten versucht, was nicht mehr zu retten war. Auch der Militärputsch in Pakistan half dem Präsidenten nicht bei der Überzeugungsarbeit.

Für die einen belegte er die Notwendigkeit eines bindenden Atomteststopps, für die anderen das Gegenteil.

Den Demokraten bleibt nun zumindest ein kleiner Trost: die Chance, das Nein der Republikaner zur Ratifizierung im kommenden Wahlkampf auszuschlachten.