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Ein Debakel ohne Beispiel

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Hoffnungen auf ein freiheitliches Wunder erfüllten sich nicht. Die FPÖ erlebte bei den gestrigen Nationalratswahlen ein noch nie da gewesenes Desaster. Entsprechend war auch die Stimmung im Wiener "Kursalon Hübner", wo die Freiheitlichen ihre Wahlzentrale eingerichtet hatten. Einzig die Tatsache, dass Rot-Grün keine Mehrheit bekam, vermochte hier die eigene Niederlage erträglicher zu gestalten. Die verbliebenen Hoffnungen setzte man auf eine Fortsetzung der schwarz-blauen Regierungskoalition und Herbert Haupt.


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An diesem Abend sah der Festsaal im Hübner kein rauschendes Fest, keine große Wahlparty, wie sie für die vergangenen Wahlabende für die Freiheitlichen fast schon zur Gewohnheit geworden waren. Eine halbe Stunde vor der ersten Hochrechnung um 17 Uhr war der Raum noch spärlich gefüllt. Viel hatte nicht gefehlt, und die Medienvertreter wären in der Mehrheit gewesen.

Auch Spitzenvertreter der FPÖ waren anfangs dünn gesät. Lange Zeit standen lediglich Klubobmann und Generalsekretär Karl Schweitzer und Gesundheits-Staatssekretär Reinhart Waneck den Journalisten für erste Wortspenden zum katastrophalen Wahlergebnis zur Verfügung. "Ich bin Arzt. Daher kann ich mit jedem Wahlergebnis leben", nahm Waneck Zuflucht zu trockenem Sarkasmus. An Schweitzer war es, die ersten Schlussfolgerungen aus dem Abschneiden der Blauen zu ziehen: Schwarz-Blau bleibe eine Option, Interims-Obmann und Spitzenkandidat Herbert Haupt treffe keine Schuld, man habe sich den Absturz in der Wählergunst "zum Großteil" selbst zuzuschreiben und: Das Wählervotum sei eine klare Absage an Rot-Grün.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Tatsächlich brandet zum ersten - und vorletzten - Mal an diesem Abend Applaus unter den Anwesenden auf, als die erste ORF-Hochrechnung das magere Abschneiden der Grünen anzeigt. Zumindest der dritte Platz konnte, wenn auch nur knapp, gehalten werden. "Geteiltes Leid ist halbes Leid", wird sich da wohl so mancher freiheitliche Anhänger gedacht haben.

Zum zweiten - und letzten - Mal kommt Applaus auf, als Haupt im Kursalon eintrifft. Auch Haupt spricht von einer grundsätzlichen Bestätigung des schwarz-blauen Regierungskurses und plädiert für dessen Fortsetzung. Aber wird Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider diesem Kurs folgen, wird Haupt gefragt. "Ich weiß es nicht", lautet dessen entwaffnend ehrliche Antwort.

Wer sagt es Haider?

Haider und seine Rolle bei diesem Debakel sind aber auch sonst in aller Munde. Haben seine Ausflüge nach Bagdad, sein bundespolitisches Kommen und Gehen und seine Wahlkampftour durch Österreich in den letzten Tages des Wahlkampfes eher geschadet oder genutzt? Die Meinungen darüber gehen an diesem Abend auseinander. Ein altgedienter Wiener Landtagsabgeordneter meinte auf die Frage, wer sagt "dem Jörg", dass seine Zeit vorbei ist: "Der Herbert Haupt!"