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Regierungsparteien uneins über Reform der Mindestsicherung. ÖVP fordert Deckelung, SPÖ für Residenzpflicht.
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Wien. Wie viel Geld sollen Menschen, die drohen, aus dem sozialen Netz zu fallen, bekommen? Und wem steht es zu? Diese Frage spaltet gerade nicht nur die Regierung, sondern auch die einzelnen Bundesländer. Im Herbst verhandeln Bund und Länder die Mindestsicherung neu. Die Diskussion darum ist schon im Vorjahr, rund um die Flüchtlingskrise, entbrannt; weil anerkannte Schutzsuchende großteils in der Mindestsicherung landen, nachdem sie ja davor nicht in eine Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.
ÖVP will Kürzungen
Aus fast allen politischen Lagern kommen seitdem Reformvorschläge mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen. Einigkeit gibt es auch zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP nicht. "Es braucht einen spürbaren Unterschied zwischen Arbeitseinkommen und Sozialtransfers", sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nach dem Ministerrat am Donnerstag. Aus der ÖVP kamen in der Vergangenheit immer wieder die Kritik, dass die Mindestsicherung zu hoch bemessen sei, und die Forderung nach einer Deckelung.
Diese könnte es nun in Niederösterreich geben, wie Landeshauptmann Erwin Pröll gegenüber dem "Kurier" sagte. Dort sollen Familien - unabhängig davon, wie viele Kinder sie haben - höchsten 1500 Euro monatlich bekommen. Falls der Bund keiner Deckelung zustimmt, will das Pröll notfalls im Alleingang durchbringen.
Das stößt wiederum Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) sauer auf. "Alle Länder haben die Verantwortung, dass wir ein vernünftiges System aufrechterhalten." Es sei "leicht", Forderungen aufzustellen, meinte er vor dem Ministerrat. In der SPÖ sieht man eine Deckelung kritisch. "Man muss sich vor Augen führen, wen man trifft", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Pressefoyer des Ministerrats. Leidtragende seien oftmals die Kinder. Auch die Armutskonferenz kritisiert die "Anti-Mindestsicherungs-Kampagne" der ÖVP Niederösterreich in einer Aussendung.
Noch ein Alleingang, der für Diskussionen sorgt, ist Oberösterreichs Vorstoß. Dort will die schwarz-blaue Landesregierung die Mindestsicherung für Flüchtlinge deutlich senken. Für Asyl- und subsidiäre Schutzberechtigte wird es dann künftig nur 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 - also in Summe 520 - statt wie bisher 914 Euro geben. Zusätzliches Geld gibt es für Alleinerziehende, außerdem gibt es Erleichterungen beim Wohnen und einen "Jobbonus" für alle Mindestsicherungsbezieher. Am kommenden Donnerstag soll die Kürzung im oberösterreichischen Landtag beschlossen werden.
SPÖ will Residenzpflicht
Mit dem Alleingang der (schwarzen) Länder hat die SPÖ keine Freude. Sowohl Kanzler Kern als auch Sozialminister Mitterlehner plädieren für eine einheitliche Lösung für alle im Herbst. Denn während die ÖVP eine Kürzung bevorzugt, sprach sich die SPÖ für eine Residenzpflicht etwa für anerkannte Flüchtlinge aus, wenn diese die Mindestsicherung beziehen. Es dürfe nicht sein, dass man sich das "attraktiveste Bundesland" aussuchen kann, meinte in der Vergangenheit etwa Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Der Hintergrund ist, dass es Asylsuchende verstärkt in die Bundeshauptstadt zieht. Eine detaillierte Statistik und österreichweite Daten zur Mindestsicherung gibt es nicht. Sie liegt in der Kompetenz der Länder, und der Austausch mit dem zuständigen Sozialministerium funktioniert kaum. Alleinstehende Personen bekommen, je nach Bundesland, mindestens 827 Euro monatlich.
In Wien beziehen derzeit etwas mehr als 180.000 Menschen Mindestsicherung. Ob der höheren Zahl an Schutzsuchenden ist der Anteil an Flüchtlingen 2015 insgesamt größer geworden. Betrug dieser 2014 noch 13,6 Prozent, kletterte er 2015 auf 17,4 Prozent. Laut Kanzler Kern macht die Mindestsicherung 0,7 Prozent der heimischen Sozialleistungen aus. Rund drei Viertel der Bezieher sind aber sogenannte Aufstocker. Das bedeutet, dass sie die Mindestsicherung zu einem zu niedrigen Gehalt oder einer sehr niedrigen Pension dazu beziehen.