Die 17.000 Blauhelme sind heillos überfordert. | EU schickt 2000 Mann zur Sicherung des Urnengangs nach Kinshasa. | Goma. (ap) Das Schild am Haus des Roten Kreuzes in Goma ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten: Ein rot durchgestrichenes Gewehr auf weißem Grund prangt am Eingang des Gebäudes in der kongolesischen Stadt. Das Verbot hat seinen guten Grund: Tausende Kämpfer der ehemaligen Bürgerkriegsfraktionen und andere bewaffnete Gruppen ziehen noch immer durch den Osten des zentralafrikanischen Landes.
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Wenige Wochen vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen - den ersten seit 44 Jahren - werden immer wieder Kämpfe und Überfälle gemeldet. Mehr als 80 Tote gab es allein in den vergangenen Tagen. Hinter dem blutigen Treiben stehen vor allem Dissidenten der Ex-Rebellen aus dem Bürgerkrieg von 1998 bis 2002, die sich gegen eine Entwaffnung und Wiedereingliederung wehren, Mai-Mai-Milizen oder ausländisch dominierte Rebellengruppen, darunter die "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR). Die Lage ist unübersichtlich, die Fronten verworren.
In der Provinz Nord-Kivu rekrutiert Warlord Laurent Nkunda "alle, die für ihn kämpfen wollen, auch Kindersoldaten", berichtet Georg Dörken, Programm-Manager der Deutschen Welthungerhilfe. "Es ist eine Gruppe der unzufriedenen ,Übriggebliebenen, ebenso wie die Revolutionäre Kongolesische Bewegung (MRC) in Ituri." Nkunda wird offiziell gesucht, und gegen die MRC haben die UNO-Truppen im Kongo (Monuc) und die offizielle kongolesische Armee mehrere Offensiven gestartet. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
Auch die Armee ist gefürchtet
Auch die Soldaten der Regierungstruppen bringen der Bevölkerung nicht unbedingt die erhoffte Sicherheit: Für die meisten Menschenrechtsverletzungen, die die Monuc im April untersuchte, waren Angehörige der Armee verantwortlich. "In einigen Regionen haben die Menschen mehr Angst vor der Armee als vor Rebellen", sagt ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Goma. Auch Allianzen seien oft kaum durchschaubar. "Nichts ist hier Schwarz oder Weiß. Alles ist Grau". Den kongolesischen Streitkräften gehören nach dem Friedensschluss Kämpfer der einstigen Bürgerkriegsparteien an. Die zusammengewürfelten Truppen sind unterbezahlt oder klagen über gänzlich ausstehende Löhne. Nicht wenige versuchen, ihr mageres Einkommen aufzubessern, indem sie die Bevölkerung unter Druck setzen und bei ihr abkassieren.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Nach und nach durchlaufen die Truppen Lager zur Integration in eine neue Armee mit gemischt-ethnischen Einheiten. Bis zu den Wahlen am 30. Juli sollen 18 solcher integrierter Brigaden ausgebildet sein, die Realität hinkt dem Zeitplan jedoch hinterher. Die meisten von ihnen sollen zur Sicherung der Abstimmung Juli im unruhigen Osten des Landes eingesetzt werden. Dort ist bereits ein Großteil der in die Demokratische Republik Kongo entsandten 17.000 UN-Blauhelme stationiert. Für das riesige Land ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb bemüht sich der Kongo um weitere Unterstützung von allen Seiten. So bat Präsident Joseph Kabila um Hilfe der südlichen Nachbarn.
In der im äußersten Westen gelegenen Hauptstadt Kinshasa sollen hingegen EU-Soldaten aus 18 Ländern unter deutscher Militärführung den Urnengang am 30. Juli absichern; der Bundestag in Berlin gab am Donnerstag Grünes Licht für die Entsendung der 780 Bundeswehrsoldaten. Das EU-Kontingent ist mit rund 2000 Mann zwar klein, doch allein die Anwesenheit der gut ausgerüsteten Europäer kann nach Einschätzung der Monuc mögliche Spielverderber der Wahl abschrecken.