Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wie geht man mit einer beliebten und erfolgreichen Leichtathletin um, die positiv auf Doping - in diesem Fall auf ein Diuretikum - getestet wurde? Wie man es nicht macht, hat der jamaikanische Leichtathletikverband vorgezeigt: Anstatt die seit Mai suspendierte Sprint-Olympiasiegerin Veronica Campbell-Brown für mehrere Jahre zu sperren, sprach die Disziplinarkommission lediglich eine öffentliche Verwarnung gegen die 31-Jährige aus. Genau genommen ein fatales Signal.
Die Gründe für dieses doch sehr milde Urteil liegen im Dunkeln. Vielleicht hatten die Richter mit Campbell-Brown einfach nur Mitleid? Schließlich wirkt das Entwässerungsmittel Furosemid nicht leistungssteigernd, sondern nur gewichtssenkend - und da kann man ja ein Auge zudrücken. War es nicht schon Strafe genug, dass die Athletin im August bei der WM in Moskau fehlte?
Wahrscheinlicher ist aber diese These: Sprinter gelten in Jamaika per se als Helden und wandelnde Denkmäler. Siebenmal wurde Campbell-Brown seit 2004 zur "Sportlerin des Jahres" gewählt, darüber hinaus wurde ihr 2008 mit dem "Order of Distinction" die höchste Auszeichnung verliehen, die es in Jamaika gibt. Dass sich Staat und Gesellschaft mit der Vorstellung, einer Betrügerin aufgesessen zu sein, nicht recht anfreunden können, ist klar. Aber Titel und Orden aberkennen und ein Denkmal wie Campbell-Brown demontieren? So weit will man dann doch nicht gehen, zumal dies einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Eine Hand wäscht eben die andere.