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Das Hans-Pfitzner-Porträt, das vorgestern Abend in arte gezeigt wurde, bot sehr viel Stoff zum Nachdenken. Vor allem wurde im Lauf der Sendung deutlich, dass Pfitzner ein sehr unsicherer und ängstlicher Mensch gewesen ist und große Angst vor Bedrohungen aller Art hatte. Als Komponist sah er sein spätromantisches Schaffen von den modernen Neutönern bedroht, gegen die er in scharfen Polemiken ("Musikbolschewismus") zu Felde zog. In der politischen Wirklichkeit eklärte er - wie viele seiner Zeitgenossen - das "Weltjudentum" zur Ursache allen Unglücks, und das, obwohl er seinen ersten großen Erfolg Gustav Mahler zu verdanken hatte und sein zeitlebens bester Freund Cossmann aus jüdischer Familie stammte.
Wer sich aber leicht fürchtet, verbündet sich gerne mit den Starken, zu denen er selbst nicht gehört. Auch Pfitzner war ein erklärter Deutschnationaler, der die Machtergreifung Hitlers freudig begrüßte. Freilich konnte das NS-Regime mit dem praktizierenden Opportunisten Richard Strauss sehr viel mehr anfangen als mit dem gesinnungstreuen Pfitzner - was diesem wiederum Gelegenheit gab, sich bedroht und benachteiligt zu fühlen.
All das wurde in der aufschlussreichen Sendung ohne Beschönigungen, aber auch ohne nachträgliche Entrüstungen berichtet. Und während man zusah und zuhörte, konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, dass Hans Pfitzner allen Grund hatte, das Oratorium "Von deutscher Seele" zu komponieren.