"Mein Almanca" ist Sitcom und Deutschkurs in einem.
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Wien. Deutsch vor Zuzug, Deutsch in der Schule, Deutsch am Arbeitsmarkt. . . Mit Deutsch verbinden viele Migranten "ein Muss für ein bürokratisch abgesichertes Leben in Österreich", meint ORF-Moderatorin Ani Gülgün-Mayr. "Wie kann man an der deutschen Sprache auch Spaß haben?", fragte sich die TV-Journalistin, als sie ORF-III-Geschäftsführer Peter Schöber vor einem halben Jahr gebeten hat, ein neues Sendeformat zu entwickeln - TV-Deutschkurse für Austro-Türken. Gülgün-Mayr verfasste ein Drehbuch, herausgekommen ist weit mehr als ein "gewöhnlicher Deutschunterricht".
"Mein Almanca" ist eine witzige, etwa zehn-minütige Mischung aus Sprachkurs und Sitcom über interkulturelle Missverständnisse zwischen Einheimischen und Austrotürken. ("Almanca" ist das türkische Wort für "Deutsch".) Zielgruppe ist ganz Österreich, damit alle über sich selber lachen und gleichzeitig Lust auf Sprache - Deutsch wie Türkisch - bekommen. Einen "Deutschkurs auf Augenhöhe, ohne erhobenen Zeigefinger" wollte Gülgün-Mayr machen, und ebenso das Prestige der türkischen Sprache heben.
Das Gestalten der neuen Sendung sei aber auch eine Art "Therapie" für sie gewesen, um persönliche Erfahrungen in Österreich zu verarbeiten, erzählt Gülgün-Mayr der "Wiener Zeitung". Vor 40 Jahren, gerade einmal zwei Jahre alt, ist die Journalistin aus Istanbul nach Österreich gekommen. Seither wurde sie schon unzählige Male gefragt, ob sie Alkohol trinkt, vom Vater geschlagen oder zwangsverheiratet wurde. "Nach wenigen Gesprächsminuten kriegt man ganz intime Fragen gestellt." Die Sendung soll "uns die Angst voreinander nehmen, weil wir uns eigentlich so ähnlich sind".
So werden etwa interkulturelle Fettnäpfchen im Beziehungsalltag von Selma und Ludwig bei "Mein Almanca" gezeigt. Das türkisch-österreichische Paar ist fixer Bestandteil jeder Sendung. Selma, gespielt von der Schauspielerin Zeynep Buyrac, ist seit sechs Jahren in einer Beziehung mit Ludwig, den der Kabarettist Ludwig Müller verkörpert. Was sich so alles abspielt, wenn eine Türkin und ein Wiener ihre Heirat planen, das lernt man hier humoristisch verpackt kennen.
Die Ehe sei eine "völlig überholte Institution", erklärt Ludwig Selmas Mutter, und löst damit bei seiner Freundin sofort Entsetzen aus. So etwas könne man ihrer Mutter doch nicht sagen, erklärt Selma ihrem Freund, der gleich kontert: "Aber hast Du das nicht selbst gesagt?" Das sei eben nicht ihre "offizielle Meinung", antwortet sie. Das Hick-Hack geht weiter, als der Kellner mit der Rechnung kommt und Ludwig getrennt zahlen will, was in der Türkei höchst ungewöhnlich ist. "Man zahlt doch nicht getrennt, vor allem, wenn man miteinander ins Bett geht", bekommt Ludwig von Selma zu hören. "Offiziell bist du noch Jungfrau", entgegnet er.
Überspitzt, aber mit Humor
Natürlich werde hier manches auch überspitzt dargestellt, meint Zeynep Buyrac. Doch durch den Humor würden sich alle in "Mein Almanca" auf Augenhöhe begegnen. Buyrac wurde wie Gülgün-Mayr ebenfalls vor elf Jahren, als sie zum Schauspiel-Studium nach Wien gekommen ist, permanent gefragt: "Du trägst kein Kopftuch? Du trinkst Alkohol? Bist du noch Jungfrau?" Anfangs sei sie schockiert gewesen, erzählt sie. Doch in Wien fühle sie sich zu Hause, von Anfang an. Das Balkan-Flair sei hier spürbar, mit Pünktlichkeit und Disziplin nehme man es nicht so genau, wie in Deutschland, und das gefällt ihr.
Auch der Schauspieler Adem Karaduman ist in "Mein Almanca" zu sehen - als Taxifahrer. "Wir zeigen, was im richtigen Leben passiert", meint er. Ein bisschen leidet er schon darunter, dauernd Taxifahrer-Rollen zu spielen - jene in "Mein Almanca" ist seine siebente. Nur diesmal habe seine Rolle eine Geschichte und eine Persönlichkeit. Karadumans Lieblingsschauspieler Robert De Niro ist immerhin als Taxifahrer berühmt geworden. . .
Erfolge bei Migranten konnte der ORF jüngst mit der Krimiserie "Mordkommission Istanbul" verbuchen. "Türkisch-stämmige Österreicher wollen im TV halt gerne selbst repräsentiert sein", meint Zeynep Buyrac.
Ab Montag, dem 22. Oktober, wird die Sendung täglich vormittags und im Vorabendprogramm auf ORF III ausgestrahlt werden, im November wird sie auch auf ORF 2 zu sehen sein. Eine DVD wird es ebenfalls geben, vielleicht auch weitere Staffeln. Unterstützt wird das neue Format vom Integrationsstaatssekretariat. "Ein erster Schritt in die Sprache" solle die Sendung sein, meint Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz.
Zeynep Buyrac blickt optimistisch in die Zukunft. "Gerade die dritte Generation ist sehr selbstbewusst, kennt ihre Wurzeln, sieht sich aber auch als Österreicher." Gülgün-Mayr bestätigt: "Ich habe mich in der Schule noch für meinen Migrationshintergrund geniert. Bei meinen Kindern ist das vorbei."