Insolvente Handelsketten sind kaum zu sanieren - nur Libro schaffte Turnaround.
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Wien. Das T in Rudolf Haberleitners Beteiligungsfirma TAP 09 steht für den Turnaround, den Umschwung. Geradezu vielversprechend ist das Logo der Firma, das einen Gewinnchart zeigt, der nach einem deutlichen Einbruch wieder steil nach oben zeigt, fast senkrecht. Nach den Plänen Haberleitners sollte auch Dayli diese Entwicklung nehmen; nicht einfach nur saniert werden, sondern sogar wachsen, und das gleich um rund 600 Filialen in ganz Österreich. Das ist in etwa noch einmal das gesamte Bipa-Filialnetz zusätzlich zu den bereits bestehenden Standorten.
Branchenkenner reagierten auf diese Ideen mit großer Skepsis, die durch den Insolvenzantrag in der Vorwoche auch ihre Bestätigung fanden. "Ich bin sehr pessimistisch, dass Dayli langfristig saniert werden kann", sagt Gerhard Weinhofer vom Kreditschützer-Verband Creditrefom. Doch sein Pessimismus gründet sich nicht nur auf den konkreten Konzepten von TAP 09. Weinhofer sagt: "Die Sanierung eines Handelsunternehmens ist mit Schwierigkeiten verbunden und in der Vergangenheit oft nicht gut gegangen."
Libro als Sonderfall
Tatsächlich ist die Liste der Handelsketten, die eine Insolvenz überstanden haben und nun gewinnbringend agieren, sehr überschaubar. Die Aufzählung beginnt und endet mit Libro. Mehr gibt’s nicht. "Im Einzelhandel gehen Firmen nicht wegen eines Durchhängers pleite, sondern weil sie den Markt verloren haben, weil etwas mit dem Sortiment und den Standorten nicht stimmt", sagt Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870.
So gesehen ist Libro auch ein Sonderfall, da die Probleme nicht im Kerngeschäft, also bei Papier und Medien, aufgetreten sind. Überhoben hatte man sich mit der Expansion am deutschen Markt und der Internet-Schiene lion.cc. Libro war bei Banken und Lieferanten mit mehr als drei Milliarden Schilling verschuldet, als der Konzern 2002 in Konkurs ging.
Ein Bieterkonsortium um den Industriellen Josef Taus ersteigerte Libro für fünf Millionen Euro und sicherte den Fortbestand. Der größte Teil der insgesamt 216 Filialen wurde weitergeführt und ein Großteil der Arbeitsplätze erhalten. Taus und seinem Schwiegersohn Martin Waldhäusl ist es gelungen, das Unternehmen zu sanieren und das Filialnetz auf 240 Standorte sogar noch etwas auszubauen.
"Sanierungen gelingen nur, wenn es ein Spezialproblem gibt. Aber nicht, wenn man dauernd Verluste schreibt", sagt ein auf Sanierungen spezialisierter Unternehmensberater, der lieber anonym bleiben will. Die Überlebensstrategie von Dayli hält auch er für untauglich.
Während es in anderen Branchen durchaus gelingen kann, insolventen Betrieben zu Prosperität zu verhelfen, ist dies bei Handelsketten sehr schwierig. Markus Fränkel, Partner der in München ansässigen Managementberatungskanzlei Lansdowne Consulting, erklärt warum: "Es ist für Handelsketten schwer, die Personalkosten zu reduzieren. In kleinen Filialen arbeiten ohnehin nur ein bis zwei Personen, die noch dazu wenig verdienen." Die Kosten zu senken, ist bei Handelsketten also nur über die Schließung von Standorten möglich, doch das ist nicht immer einfach. "Da haben sie das Problem, dass sie entweder Käufer für schwache Flächen finden müssen, oder sie haben noch länger laufende Mietverträge. Dazu kommt, dass sie schlechtere Einkaufskonditionen erhalten, wenn sie verkleinern", sagt Fränkel.
Umschwung braucht Zeit
Wenn ein filialisiertes Handelsunternehmen mit einem strukturellen Problem, wie es bei Dayli unverkennbar existiert, in Liquiditätsnöte kommt, ist es eigentlich schon zu spät. "Change-Management ist immer dann völlig unmöglich, wenn die Uhr tickt. Denn das braucht viel Geld, viel Zeit und viele Ressourcen", sagt jener österreichische Consulter, der lieber anonym bleiben wollte. "Und hat Dayli Zeit?", fragt er, die Antwort gleich nachschießend: "Nein".
Frisches Geld ist bei Dayli auch nicht gerade in Sicht. Die Bilanz der Mödlinger Firma ICU Unternehmensberatung von Martin Zieger, die Dayli vor dem Insolvenzantrag übernommen hat, sei jedenfalls "grauenhaft", berichtet Weinhofer von Creditreform. Dass Zieger von einem Schweizer Investor im Hintergrund spricht, "ist wieder so eine Geschichte à la Haberleitner".
Wenn sich die Marktsituation ändert und deshalb die Umsätze beginnen, einzubrechen, ist also bereits Gefahr in Verzug. Der Hartwarenhändler Kaindl war 1998 in Konkurs gegangen, nachdem große Ketten in der städtischen Peripherie zu übermächtigen Konkurrenten wurden - und zwar in den Bereichen, wo Kaindl traditionell tätig war: im Elektro-, Haushalts-, Bau- und Heimwerkermarkt. Eine Rettung war ebenso unmöglich, wie es nun bei Niedermayer der Fall war, einst beim Sportartikelhändler Schuh Ski oder der Textilfirma Don Gil.
Im Fall des Elektronikkonzerns Cosmos, der 2010 pleiteging, ist es immerhin gelungen, die Marke zu erhalten. Eine steirische Investorengruppe hatte für 50.000 Euro den Namen erworben, mit dem damaligen Betrieb haben die drei bestehenden Cosmos-Filialen aber nur noch das Logo gemeinsam. Außerhalb Wiens sei der Konkurs nämlich an den Menschen vorbeigegangen, sagt der Geschäftsführer, die Marke habe noch immer einen hohen Bekanntheitsgrad.
Keine Assets vorhanden
Cosmos ist jedoch ein Ausnahmefall im Handel. Nur selten ist in dieser Branche eine Marke so stark, dass diese allein Kunden anlockt. Bei der Textilkette Schöps, die sich der ausländischen Konkurrenz wie H&M beugen musste, reichte der Name des Traditionsunternehmens nicht. Der Schöps-Käufer veräußerte die Filialen schließlich an andere Textilketten. Bei Don Gil (im Dezember 2011 insolvent) wurden etwa zwei Drittel der 31 Filialen übernommen - und zwar von der deutschen Kette Gerry Weber. Diese suchte mehr Fläche, kaufte die Mietrechte und konnte sich so auf einen Schlag zig Standorte sichern. Doch abgesehen von guten Standorten, die Dayli ohnehin nicht bieten kann, lässt sich aus insolventen Handelsbetrieben wenig zu Geld machen.
"Bei einem Maschinenbauer haben sie andere Assets, sie haben Qualifikationen bei Mitarbeitern, Know-how, vielleicht Patente. Wenn sie das kaufen und neu ausrichten, neue Kunden gewinnen, dann kann man den Turnaround schaffen", sagt Unternehmensberater Fränkel.
Auch für ihn kommt die geplante Neuausrichtung bei Dayli zu spät. Konkurrent "dm" - einst auch eher im Billigsegment daheim - hatte die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt, über Jahre einen Strategiewechsel vollzogen und steht nun hochweiß da. Dayli müsste sich binnen weniger Monate völlig neu ausrichten, doch das ist so gut wie unmöglich. Dazu kommt, dass vom ursprünglichen Plan Haberleitners, die ehemaligen Schlecker-Filialen zu Nahversorgern umzuwandeln, die Sonntags offen haben, nichts übrig geblieben ist. Fränkel: "Es gibt einen Grund, dass die Tante-Emma-Läden verschwunden sind. Wenn man keinen 24-Stunden-Betrieb anbieten kann, hat man gar keine Chance."