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Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier folgt Joachim Gauck als Bundespräsident.
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Berlin. Eigentlich wollte Frank-Walter Steinmeier Sportreporter werden. In seiner Jugend spielte der heute 60-Jährige Fußball im defensiven Mittelfeld. Der Trainer nannte ihn zuverlässig und fleißig.
Steinmeier schlug bekanntermaßen eine andere Karriere ein. Der einstige begeisterte Fußballer ist heute als Außenminister Deutschlands oberster Diplomat und wird - geht es nach den Spitzen von CDU, SPD und CSU - ab Februar nächsten Jahres Bundespräsident.
Es war ein beschwerlicher Weg zu dieser Entscheidung. Anfang Juni hatte der 76-jährige Joachim Gauck erklärt, für eine zweite Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Dabei war Gauck beliebt. Nicht nur Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte sich eine zweite Amtszeit gewünscht. Außerdem sollten so kurz vor der Parlamentswahl im Herbst 2017 mögliche Signale in die eine oder andere Richtung vermieden werden: Was, wenn sich SPD, Grüne und Linkspartei bei der Kandidatensuche zusammentun? Was, wenn die Union keinen geeigneten Kandidaten findet? Was, wenn ein Konservativer einen ähnlich miserablen Lauf hätte wie Christian Wulff damals im Jahr 2010? Es wäre ein Dämpfer geworden für die Kanzlerin, die zuletzt an Beliebtheit eingebüßt hat. Wulff, damaliger Kandidat der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP, hatte den Sieg erst im dritten Wahlgang geschafft, da in dieser Abstimmungsrunde keine absolute Mehrheit mehr erforderlich ist.
Für die Union stand eigentlich von Anfang an fest: Ein Sozialdemokrat soll nicht ins höchste Amt des Staates gewählt werden. Doch auch wenn CDU und CSU zwar über die meisten Stimmen in der Bundesversammlung verfügen: Sie sind nicht stark genug, um im ersten Wahlgang einen eigenen Kandidaten mit durchzubringen - den sie noch dazu nicht gefunden haben. Anders als in Österreich wird der Bundespräsident nicht von den Bürgern direkt gewählt, sondern von einem Wahlgremium, der Bundesversammlung.
Dafür fiel gleich nach Gaucks Ankündigung des Rückzugs Steinmeiers Name als mögliche Nachfolger. SPD-Chef Sigmar Gabriel arbeitete zäh an der Umsetzung. Derzeit führt Steinmeier die Ranglisten von "Spiegel" und ARD der beliebtesten Politiker Deutschland wieder einmal an.
Steinmeier stammt aus "einfachen Verhältnissen", wie er in seiner Autobiografie schreibt. Er wächst in Nordrhein-WestfaIen auf und ist seit seiner Schulzeit in der SPD. Darüber nachgedacht, Politiker zu werden, habe er nicht, sagt Steinmeier. Das habe sich entwickelt. Fest stand für ihn nur so viel: "Ich wollte weg. Ein Ort wie Brakelsiek mit seinen knapp tausend Einwohnern wird einem Heranwachsenden bald eng." Steinmeier studiert Jus und arbeitet während des Studiums in der Rechtsberatung für Obdachlose. 1993 macht ihn der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder zu seinem persönlichen Referenten, Steinmeier wird Leiter der Staatskanzlei und wechselt mit Schröder in den Bund. Er steigt zum Chef des Kanzleramts auf, schreibt an der Agenda 2010 mit. Unter Kanzlerin Angela Merkel wird Steinmeier 2005 zum ersten Mal Außenminister. 2009 versucht er sein Glück als Kanzlerkandidat der SPD, nachdem Parteichef Gabriel und der damalige Klubchef Peer Steinbrück abgewunken haben.
Kein Mann des Wahlkampfs
Wahlkampf-Auftritte sind nicht sein Metier. Steinmeier wirkt aufgesetzt dramatisch, unlocker. "Wer will, dass es fair und sozial zugeht, muss SPD wählen", ruft er steif in Magdeburg. Ein Mann dreht verärgert den Kopf von der Bühne weg und sagt: "Wer hat uns denn Hartz IV eingebrockt? Die SPD!" Die Genossen verbuchen damals mit 23 Prozent das bis heute schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl.
Als Außenminister habe er sich dagegen "verdient" gemacht und "mit bemerkenswerter Souveränität" agiert, sagte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer am Montag im "Deutschlandfunk". Er wolle aber nicht verhehlen, dass es "keine riesige Begeisterung in den Reihen der CSU" für den Sozialdemokraten gebe. Auch müsse man nicht mit "jeder Entscheidung und Wortwahl" des Außenministers einverstanden sein. Während des US-Wahlkampfs nannte Steinmeier Donald Trump einen "Hassprediger". Um nicht eindeutig von "Völkermord" an den Armeniern zu sprechen und somit die Türkei zu verstimmen, wählte Steinmeier verschwurbelte sprachliche Konstruktionen, die Kritik hervorriefen.
Vom CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn erhielt Steinmeier im Juni die wenig schmeichelhaft gemeinte Bezeichnung "Putin-Versteher". Der Außenminister hatte das Großmanöver "Anakonda" in Polen kritisiert, an dem auch Nato-Länder teilnahmen: "Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anheizen."
Spahn war am Montag auch unter jenen, die die Kandidatur Steinmeiers ablehnen: Die Union sende das Signal aus, erneut eine große Koalition anzustreben. "Es ist eine Entscheidung aus Vernunft", sagt indes CDU-Chefin Merkel.
Die Grünen wollen noch darüber beraten, Steinmeier zu wählen. Für die Linke steht bereits fest: Sie ist gegen Steinmeier als einen der Architekten der Agenda 2010.
Kritik kam am Montag auch von Murat Kurnaz. Der heute 34-Jährige war von 2002 bis 2006 im US-Lager Guantanamo inhaftiert. Früh wurden die Vorwürfe gegen ihn fallengelassen. Allerdings ließ Deutschland Kurnaz nicht einreisen. Als damaliger Kanzleramtschef sei Steinmeier der Hauptverantwortliche dafür, "er sollte sein Sündenregister bereinigen, bevor er Bundespräsident wird", sagte Kurnaz "taz.de".
Am Mittwoch soll Steinmeier offiziell als Kandidat präsentiert werden. Als Nachfolger an der Spitze des Außenministeriums wird unter anderem der Präsident des EU-Parlamentes, Martin Schulz, gehandelt.