Nur wenige Doktoranden arbeiten in dem Bereich, den sie erforscht haben.
| Arbeitgeber wählen Doktoranden wegen Ausdauer, nicht wegen Wissen.
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Wien. Nicht nur Schummler haben bei Headhuntern kein gutes Leiberl. Selbst all jene, die ihre Doktorarbeit jahrelang mühevoll und gewissenhaft verfasst haben, erhalten keine Vorschusslorbeeren. Zumindest wenn es um die Job-Vermittlung nach der Dissertation geht.
"Die Bedeutung des Doktortitels hat in den letzten Jahren stark abgenommen. Ursache dafür ist die zunehmende Internationalisierung", sagt Peter Pendl vom Personalberatungsunternehmen Pendl & Piswanger. Von Konzernen käme nicht mehr der Auftrag, dass ein Doktortitel vor dem Namen des Bewerbers stehen müsse, so der Personalvermittler. Viel entscheidender sei, wie sich ein Mitarbeiter in seinem Leben weiterentwickelt: Welche Leistungen in Unternehmen hat er erbracht, welche Weiterbildung absolviert?
Auch Manuela Lindlbauer von Lindlpower Personalmanagement bemerkt ein Abrücken der Unternehmen vom Doktortitel: "Im wissenschaftlichen Umfeld haben Bewerber mit Doktortitel einen Wettbewerbsvorteil, im wirtschaftlichen Umfeld nicht mehr."
Früher versuchten viele Firmen, ihre Kompetenz über Mitarbeiter mit Doktortitel darzustellen. Heute würden sogar "titelverliebte Berufsgruppen" wie Rechtsanwälte den höchsten akademischen Grad weglassen, um modern und international rüberzukommen, so Lindlbauer.
Soft Skills wichtiger als Studie zur Stubenfliege
Stattdessen rücken Manager & Co. den LLM, MBA oder PHD auf der Visitenkarte ins Rampenlicht. Praxisnahe und fachspezifische Masterlehrgänge - meist im Ausland absolviert - nützen laut Headhuntern für die Karriere mehr als eine Dissertation.
Eine Ausnahme stellt freilich die Forschung dar: Wer etwa in der Wissenschaft, in der Pharmabranche oder in der technischen Entwicklung arbeiten will, für den ist der Doktortitel Pflicht. Bemerkenswert dabei ist freilich: "Die Arbeitgeber entscheiden sich für Doktoranden meist wegen der Persönlichkeit und nicht aufgrund ihres Wissens", berichtet Lindlbauer.
Der Dissertant hat gezeigt, dass er von Anfang bis Ende durch Eigenmotivation ein Ziel erreichen kann. Arbeitgeber ordnen dem Verfasser einer Dissertation auch Soft Skills wie Problemlösungskompetenz, Detailorientierung, Ehrgeiz und Ausdauer zu.
Ob der Doktorand letztendlich das Verhalten von Stubenfliegen oder ökonomische Theorien erforscht hat, ist für die künftigen Arbeitgeber irrelevant. Und anscheinend auch für die Absolventen selbst: In einer OECD-Studie aus 2010 stechen die Österreicher unter allen Ländern dadurch hervor, dass sie nach Abschluss der Doktorarbeit in einem komplett anderen Arbeitsfeld tätig sind. "Die Qualität der Doktoranden wird von Unternehmen unterschätzt", glaubt indes Lucas Zinner vom Doktorandinnenzentrum der Universität Wien und weist ebenfalls auf den Erwerb wichtiger Soft Skills hin. Ungelegen kommen da Plagiatsaffären, die dem Ruf der Dissertanten schädigen, so Zinner.
Zumindest unter den Studenten an den heimischen Unis ist davon vorerst wenig zu merken. Im Wintersemester 2010 gab es in Österreich insgesamt 29.910 Doktoranden - fast doppelt so viele wie vor neun Jahren. Die meisten - über 8000 - sind für ein Doktorstudium der Philosophie inskribiert. Darunter fallen die gesamten Geisteswissenschaften - von Sprachen bis hin zu Politikwissenschaften. Es folgen Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften mit jeweils 4680 beziehungsweise 4449 Doktoranwärtern. Weiter zurück liegen die Ingenieur- und Naturwissenschaften.
Detektivsarbeit beimVorstellungsgespräch
Am Gehaltszettel macht sich der Doktortitel indes nicht bemerkbar. Alle Hochschulabsolventen werden gleich eingestuft, sagen Headhunter, die nicht erst seit den Plagiatsaffären zunehmend Detektivsarbeit übernehmen. "Wir schauen uns alle Zeugnisse im Original an. Außerdem prüfen wir genau, wo jemand eine Ausbildung gemacht hat und ob die Zeitdauer dafür realistisch ist", sagt Peter Gusmits vom Personalberater Neumann International.