Schon vor dem Verlust von MH17 und MH370 ging es Malaysia Airlines nicht gut. Nun erklärt sich die Fluglinie für "eigentlich pleite" und streicht 6000 Arbeitsplätze. Zugleich will man mit einem kompletten Neustart die schwierige Vergangenheit hinter sich lassen.
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Kuala Lumpur. Es war der letzte von zehn Flügen aus der Ukraine, der Anfang Mai in Eindhoven landete. Viele, die draußen auf dem Rollfeld auf die Maschine des niederländischen Militärs warteten, waren schon in den vergangenen Monaten hierher gekommen, um die Hercules-Transporter in Empfang zu nehmen. Doch Routine dürfte sich wohl bei keinem von ihnen eingestellt haben. Denn jede Ankunft der grauen Maschinen markierte einen großen persönlichen Abschied, der aber stets mit Zweifeln verbunden blieb: Die sterblichen Überreste der eigenen Angehörigen konnten sich in jedem der insgesamt 250 Särge befinden, die in die Niederlande gebracht wurden. Die enorme Wucht der Explosion von Flug MH17 und das weit verstreute Trümmerfeld verhinderten letztlich jede Gewissheit.
Der Abschuss der Boeing 777 über dem Osten der umkämpften Ukraine am 17. Juli 2014 war aber nicht nur für die Angehörigen der 298 Todesopfer eine alles verändernde Tragödie. Auch für Malaysia Airlines sollte nach diesem Tage nichts mehr so sein wie vorher. Denn bereits im März hatte die Fluglinie unter äußerst rätselhaften Umständen ein Flugzeug verloren. Flug MH370, ebenfalls eine Boeing 777, war in Kuala Lumpur mit dem Ziel Peking gestartet, kam dort aber niemals an.
Erst Tage später wurde bekannt, dass die mit 239 Menschen besetzte Maschine mehrere Stunden auf dem entgegengesetzten Kurs nach Süden flog, bevor sie endgültig verschwand. Bis heute gibt es über den Verbleib der Boeing wenig Fakten, aber viele Spekulationen. Die Bandbreite reicht dabei von explodierten Batterien über den Selbstmord eines Piloten bis hin zur Entführung durch einen Schurkenstaat.
Dass eine Airline, die schon zuvor wirtschaftlich massiv in Schwierigkeit geraten war, gleich zwei derartige Vorfälle bewältigen kann, galt unter Luftfahrtexperten als so gut wie ausgeschlossen. Vor allem auf den wichtigen Routen nach China und Australien flog Malaysia Airlines nach Informationen aus Branchenkreisen oft mit fast leeren Flugzeugen. Zu tief saß die Sorge der Passagiere nach dem MH370-Absturz, dass sich noch einmal ein ähnlicher Zwischenfall ereignen könnte. In China hat Malaysia Airlines zudem ein tiefsitzendes Imageproblem, weil sich die Angehörigen der Opfer nicht schnell genug über den Verlauf der Wracksuche informiert fühlten.
Dass man ohne einen umfassenden Neustart nicht aus dieser verzwickten Lage kommt, ist auch dem Management klar. "Wir sind eigentlich pleite", sagte Christoph Müller, der neue Vorstandsvorsitzende von Malaysia Airlines, am Montag. Der 54-jährige Deutsche, der zuvor die irische Aer Lingus erfolgreich saniert hat, hat bereits allen 20.000 Mitarbeitern ein Kündigungsschreiben schicken lassen. 14.000 davon erhielten zwar gleichzeitig ein Angebot zur Weiterbeschäftigung, doch für die restlichen 6000 ist die Kündigung endgültig.
Teurer als die Konkurrenz
Der im Mai als Krisenmanager geholte Müller will aber nicht nur beim Personal sparen. Einige internationale Verbindungen sollen seltener bedient werden, andere fallen komplett aus dem Flugplan. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung will der neue Chef die alten Zeiten hinter sich lassen, die Fluglinie, die zur Oneworld Allianz gehört, soll einen komplett neuen Markenauftritt bekommen. In diesem Jahr gelte es vor allem, "die Blutung zu stoppen", sagte Müller. 2016 sollen sich dann die Geschäft stabilisieren und 2017 wieder ein Wachstum erzielt werden.
In jedem Fall geht Müller mit seiner Neuausrichtung zwei fundamentale Probleme der Fluglinie an. Denn dass die Kosten bei Malaysia Airlines um 20 Prozent höher liegen als bei der Konkurrenz hat auch damit zu tun, dass die Fluggesellschaft auf Geheiß der Regierung bisher viele unprofitable Verbindungen im Angebot hatte. In der knapp 70-jährigen Geschichte war das Unternehmen zwar an die Börse gebracht worden, doch letztendlich hatte die Regierung über diverse Konstruktionen wie etwa den Staatsfonds Khazanah immer das letzte Wort. Doch nicht nur das wenig rentable Streckennetz ließ Malaysia Airlines ertragsmäßig gegenüber anderen Traditionsgesellschaften und neuen Billigfliegern zurückfallen. Experten zufolgen wurde auf Druck der Gewerkschaften hin auch viel zu viel Personal beschäftigt.
Dass er vor einer schwierigen, wenn nicht fast unlösbaren Aufgabe steht, dürfte Müller jedenfalls bewusst sein. "Der Spielraum für Fehler ist sehr gering", sagte der Deutsche bereits vor einer Woche in einem Interview mit Reuters.