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Ein Durchbruch mit Fußnote

Von Simon Rosner

Politik
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Kein Rechtsanspruch und im plötzlich auftretenden Bedarfsfall unwirksam.


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Wien. Das Älterwerden mag ein langsamer und schleichender Prozess sein, doch Pflegebedarf tritt oft sehr plötzlich auf. "Die meisten sind wie vom Donner gerührt", sagt Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger (IG Pflege).

Ein folgenschwerer Sturz, ein kleiner Schlaganfall, und manchmal ist es auch nur eine Verwirrtheit, die auf eine einsetzende Demenz hindeutet, die es aber jedenfalls nötig macht, für alleine lebenden Personen eine Betreuung zu organisieren. Und das von einem auf den anderen Tag.

Das alles ist Alltag in Österreich. Gegenwärtig beziehen mehr als 300.000 Menschen Pflegegeld, das - je nach Pflegebedarf - in sieben Stufen unterteilt ist. Ab dem kommenden Jahr wird es für Angehörige (Partner, Kinder, Enkel, Großeltern) möglich sein, ein bis maximal drei Monate in Karenz zu gehen. Darauf verständigten sich Sozial- und Wirtschaftsministerium, wenngleich bei der Frage des Rechtsanspruchs keine Einigung erzielt werden konnte.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner erklärte dies gegenüber Ö1 damit, dass angesichts der konjunkturellen Probleme derzeit weitere rechtliche Verbindlichkeiten für die Unternehmen "psychologisch" schwierig seien. "Wir wollten da niemanden überfordern." Sozialminister Rudolf Hundstorfer hätte sich einen Rechtsanspruch wie bei der Familienhospizkarenz oder der Kinderkarenz zwar gewünscht, "aber das war mit der Wirtschaftskammer und dem Wirtschaftsressort nicht machbar. Und mir war es da jetzt wichtig, weiterkommen."

Pflegestufe drei ist Voraussetzung

Ein Okay des Betriebes ist für die Inanspruchnahme der Karenz demnach erforderlich, an viele Streitfälle glauben aber beide Minister nicht. "Ich kenne die österreichischen Arbeitgeber insoweit, dass sie auch sozial eingestellt sind", sagte Mittlerlehner dem Radiosender. Für das erste Jahr rechnet er mit 2000 Anträgen.

Voraussetzung für einen solchen Antrag ist die Pflegestufe drei, die auch Bedingung ist, um einen geförderten Platz in einer Pflegeeinrichtung zu erhalten. Da beispielsweise in Wien die Wartezeit auf einen solchen Platz ein bis drei Monate beträgt, ist die Notwendigkeit der geplanten Pflegekarenz offensichtlich. Auch die Organisation einer 24-Stunde-Pflege geht nicht von heute auf morgen, sondern dauert zumindest einige Wochen.

Ungeeignet ist das Gesetz aber für den plötzlich eintretenden Bedarfsfall, wenn etwa das Entlassungsmanagement im Spital versagt. Eine Pflegefreistellung, also der klassische Pflegeurlaub, ist laut Gesetz nur dann möglich, wenn der oder die Angehörige im selben Haushalt wohnt. Bei Kindern wurde bereits eine Ausnahme gemacht, bei älteren Patienten aber bisher nicht. "Unsere Forderung ist immer, dass Pflege vom gemeinsamen Haushalt entkoppelt wird", sagt Meinhard-Schiebel von der IG Pflege.

Maximal 1400 Euro Gehalt, drei Monate lang

Bei der nun vereinbarten Karenz ist wiederum die Pflegestufe drei notwendig, deren Bewilligung ein, manchmal zwei Monate dauern kann, selbst wenn der Bedarf offensichtlich ist. In derartigen Fällen bleibt den pflegenden Angehörigen weiterhin nichts anderes übrig, als entweder normalen Urlaub zu nehmen oder parallel zur Arbeit zu pflegen. "Für solche Fälle ist die Karenz kein geeignetes Mittel", sagt Meinhard-Schiebel.

Die Einigung von Mitterlehner und Hundstorfer zur Pflegekarenz wird von der IG Pflege aber dennoch sehr positiv aufgenommen, ist es doch eine langjährige Forderung. Meinhard-Schiebel wünscht sich jedoch, dass direkt Betroffene in den weiteren Prozess bis zum Vorliegen des Gesetzestextes noch eingebunden werden.

Wer die Pflegekarenz in Anspruch nimmt, soll jedenfalls ein Gehalt in Höhe des Arbeitslosengeldes, maximal jedoch 1400 Euro erhalten, die aus dem Pflegefonds kommen. Auch für eine Teilzeitvariante ist gesorgt, zudem kann nach drei Monaten ein anderer Angehöriger weitere drei Monate in Pflegekarenz gehen. Von den Oppositionsparteien kamen positive Reaktionen, die Grünen werten es als "Schritt in die richtige Richtung", die Freiheitlichen fühlen einen "langjähriger Wunsch der FPÖ" umgesetzt.