Frankreich, diese Grande Nation, erfreut die Welt mit einer originellen Innovation. Da schaut Österreich natürlich alt aus.
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Frankreich ist zweifellos ein ganz wunderbares Land, dem der weniger glückliche Rest der Welt so herausragende Errungenschaften wie die Prinzipien der Aufklärung, aber auch einige Absonderlichkeiten der nouvelle cuisine verdankt. Dieser unbändigen Lust der Grande Nation am sozialen Experiment verdankt die Welt nun eine absonderliche Neuerung, die bei den Departementswahlen vom vergangenen Sonntag einer erste Begegnung mit der Wirklichkeit ausgesetzt wurde: "le Binome".
In der an Uneindeutigkeiten gänzlich freien Sprache der Mathematik ist ein Binom - der Begriff setzt sich aus dem Lateinischen bi für zwei und nomen für Name zusammen - ein Polynom mit zwei Gliedern, oder noch genauer formuliert: Ein Binom ist die Summe oder Differenz zweier Monome. Logisch, oder?
Den Franzosen ist es nun gelungen, dieses doch recht simple Prinzip auf die nur unwesentlich kompliziertere Welt der Politik zu übertragen, weshalb bei den bereits angesprochenen Regionalwahlen keine einzelnen Kandidaten mehr kandierten, sondern nur noch Paare, die aus je einem Mann und einer Frau bestanden.
Jetzt einmal davon abgesehen, dass ausgerechnet die französische Linke mit einem reaktionären Partnerschaftsbild politisch punkten will - wo, bitte, bleibt hier der Respekt vor gleichgeschlechtlichen Beziehungen? -, ist dieses Modell doch eine eher gewagte Weiterentwicklung des guten alten Gleichheitsgrundsatzes. Dessen Quintessenz sollte eigentlich in den unveräußerlichen Rechten des Einzelnen liegen - vor dem Gesetz, auf dem Stimmzettel und in der Wahlzelle. Stattdessen galt der Mann bei dieser Wahl nichts, wenn nicht eine Frau an seiner Seite stand - und umgekehrt natürlich genauso, was allerdings nur für eine Seite ein Schockerlebnis war.
Die politische Praxis dieses Experiments ist aber noch weitgehend unerforscht: Was geschieht, wenn etwa ein gewähltes Tandem bei Abstimmungen gegensätzlicher Auffassung ist - gelten dann beide Stimmen oder gleich gar keine? Oder was, wenn ein Teil des Binoms zurücktritt: Müsste dann nicht eigentlich auch der andere gehen? Und was wäre, wenn die beiden gemeinsam miteinander ihr privates Glück finden - ist das dann noch mit den Gesetzen des politischen Anstandes vereinbar oder nicht eigentlich eine Unvereinbarkeit?
Nun ist es ja nicht so, als ob uns Österreichern das Phänomen der politischen Pärchenbildung gänzlich unbekannt wäre. Manche haben sogar Eingang in die Geschichtsbücher gefunden, legendäre etwa aus den Anfangszeiten der Republik wie Julius Raab und Leopold Figl (obwohl dann zwischenzeitlich der eine den anderen von der Macht verdrängte) oder pragmatische wie Helmut Zilk und Hans Mayr, die einst Wien im Tandem prägten; Werner Faymann und Josef Ostermayer gehören auch irgendwie in diese Kategorie.
Allerdings könnte die hiesige Tradition des politischen Duumvirats vom französischen Gebot zur heterosexuellen Zweisamkeit auf der Bezirkswahlliste kaum weiter entfernt sein. Wo die Grande Nation die Welt verbessern will, und dafür auch unsinnige Regeln in Kauf nimmt, reicht uns vollkommen, die große Maschine ein bisschen zu schmieren.