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Länderkammer soll von Nationalrat nicht überstimmt werden können. | Experten: Bringt nur etwas, wenn sich Bundesräte von den Parteien lösen. | Wien. Abschaffen oder aufwerten - während viele Experten bezüglich des Bundesrats eher Ersteres empfehlen, setzen die Länder derzeit Initiativen, um die Länderkammer des Parlaments aufzuwerten. Daran führt für den Tiroler Landtagspräsidenten und Vorsitzenden der Kammer der Regionen im Europarat, Herwig van Staa (ÖVP), auch gar kein Weg vorbei, wie er am Montag gemeinsam mit Bundesratspräsident Gottfried Kneifl (ÖVP) vor Journalisten in Wien erklärte.
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Österreich sei ein föderaler Staat, der von den Bundesländern gebildet werde. Daher, so van Staa, sei es "undenkbar", den Föderalismus ohne Volksabstimmung abzuschaffen. Vielmehr müsste der Föderalismus durch mehr Kompetenzen für den Bundesrat ausgebaut werden.
Einen entsprechenden Vorstoß werde die Landeshauptleutekonferenz bei ihrem Treffen am Donnerstag in Bad Hall (OÖ) machen, kündigte Kneifl an. So soll etwa gefordert werden, dem Bundesrat in Angelegenheiten, die die Länder betreffen, also etwa Finanzausgleich oder 15a-Vereinbarungen, statt eines aufschiebenden ein aufhebendes Veto zu geben.
Experten zweifeln
Ob damit wirklich ein mehr an Ländereinfluss geschaffen wird, halten Experten für nicht so sicher. "Es ist die Frage, ob das etwas bringt, wenn sich an der Struktur nichts ändert", sagt Föderalismusexperte Franz Fallend von der Uni Salzburg. Damit meint der Politikwissenschafter, dass Bundesräte "als Parteienvertreter agieren, nicht als Ländervertreter".
Auch für Peter Bußjäger, Landtagsdirektor von Vorarlberg und Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck, ist eher zweifelhaft, "ob sich die Abgeordneten emanzipieren, solange sie Teil der Nationalratsfraktion ihrer Partei sind". Fallends Vorschlag, die Bundesräte an Landtagsbeschlüsse zu binden, hält er für nicht umsetzbar, "da gäbe es relativ viel Widerstand". Sinnvoller wäre es aus Bußjägers Sicht, die Landtagsabgeordnete in den Bundesrat zu entsenden. "Da schau ich mir dann an, ob einer, der im Landtag vollmundig für Länderkompetenzen eintritt, im Bundesrat davor zurückschreckt."
Frage der Steuerhoheit
Eine Steuerhoheit für die Länder, wie zuletzt etwa von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), angedacht, ist für Fallend "ein wichtiger Aspekt, wenn man mit einer Föderalismusreform ernst machen will". Das sieht auch Bußjäger so, allerdings "müssten es schon aufkommensstarke Steuern sein, aus denen sich die Länder weitgehend finanzieren könnten".
Aus Sicht von Bundesratspräsident Kneifl würde die Steuerhoheit die Glaubwürdigkeit der Länder stärken. Daher fürchte man sich nicht davor. Allerdings dürfe dadurch keine zusätzliche Bürokratie entstehen.
Für Kneifl geht Föderalismus allerdings noch weiter. So sei es "nicht gottgewollt, dass jede neue Bundeseinrichtung ihren Sitz in Wien haben muss". Es sei unverständlich, warum zum Beispiel die Bundesimmobiliengesellschaft nicht in Graz oder Linz angesiedelt worden sei. In der Schweiz oder Deutschland seien Bundeseinrichtungen über das ganze Land verteilt.
Wissen
Der Bundesrat ist neben dem Nationalrat die zweite Kammer des österreichischen Parlaments und die Vertretungskörperschaft der Länder auf Bundesebene. Die 62 Bundesräte werden von den Landtagen entsprechend der Parteienstärke entsandt. Sie verteilen sich nach Bundesländern folgendermaßen: Burgenland 3, Kärnten 4, Niederösterreich 12, Oberösterreich 11, Salzburg 4, Steiermark 9, Tirol 5, Vorarlberg 3, Wien 11. Stärkste Partei im Bundesrat ist derzeit die ÖVP (27), vor der SPÖ (22), FPÖ (7), Grüne (3), FPK (2) und Liste Fritz (1). Die Bundesräte sind meist Mitglieder der jeweiligen Nationalratsklubs.
Die Kompetenzen des Bundesrats im Gesetzgebungsprozess sind relativ eingeschränkt. Von bestimmten Materien ist er überhaupt ausgeschlossen, etwa Bundesfinanzen. Bezüglich sonstiger Gesetze kommt ihm nur ein aufschiebendes Veto zu, gegen das der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss fassen kann. Lediglich in Fragen, die die Kompetenzen der Bundesländer einschränken, haben die Bundesräte ein absolutes Veto.