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Ein einsamer Kriegsherr mit Angst vor dem Urteil der Nachwelt

Von Michael Schmölzer

Analysen

Am kommenden Dienstag geht die Ära George W. Bush nach acht Jahren zu Ende und die Mehrheit der US-Amerikaner und der Weltbevölkerung atmet erleichtert auf.


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Um den scheidenden US-Präsidenten ist es zuletzt einsam geworden. Nach den Verbündeten im Irak-Krieg zerstreuten sich selbst seine engsten Berater in alle Himmelsrichtungen. Bush, dem ein Mangel an intellektueller Regsamkeit nachgesagt wird, weiß ganz genau, dass er so unbeliebt ist wie kaum anderer US-Präsident vor ihm. Den historischen Wahlsieg Barack Obamas interpretiert er selbst als Folge der tiefen Enttäuschung über seine Amtszeit.

Der bekennende ehemalige Alkoholiker, der sich der Methodisten-Kirche angeschlossen hat, um Kraft für den Kampf gegen sein Laster zu schöpfen, rutscht immer häufiger ins Sentimentale ab. Jeder, auch er, wolle geliebt sein, gestand er. Oft spricht er dieser Tage über seinen Glauben, sein Ringen um "die Nähe des Allmächtigen" und über die "bedingungslose Liebe seines Vaters".

Im Ruhestand will Bush seine Memoiren verfassen, hat er angekündigt. Dabei wird er seine Entscheidungen beschreiben und wohl auch rechtfertigen. Ob er damit das Urteil, das die Nachwelt über ihn fällen wird, zu seinen Gunsten korrigieren kann, ist fraglich. Eine Umfrage unter 109 US-Historikern liefert jedenfalls schon jetzt ein klares Ergebnis: "Es wäre schwierig, einen Präsidenten auszumachen, der, konfrontiert mit Krisen in der Welt und zu Hause, so deutlich gescheitert ist wie Bush", heißt es im Resumee der 109. Selbst konservative US-Medien teilen mittlerweile diese Ansicht.

Künftige Generationen werden Bush wohl als jenen Politiker in Erinnerung behalten, der in Reaktion auf Terroranschläge einen Krieg in einem Land begann, das mit den Anschlägen nachweislich nichts zu tun hatte. Und der diesen Krieg, der hunderttausende Tote - mehrheitlich Zivilisten - forderte, jahrelang nicht beenden konnte. Dazu kommen die Bilder gepeinigter Gefangener in Abu Ghraib und Guantanamo. Dabei hätte George Walker Bush durchaus als Held in die Geschichte eingehen können. Immerhin standen die Nation und ein Großteil der Welt nach den traumatischen Ereignissen von 9/11 geschlossen hinter dem US-Präsidenten. Dass es Krieg gegen den Terror geben müsse, war damals außer Streit, die Zahl der internationalen Sympathiebezeugungen an die schwer getroffenen US-Amerikaner und ihren Führer Legion.

Im Fahrwasser dieser positiven Stimmung wurde Bush 2004 ein zweites Mal gewählt. Dann trat aber immer deutlicher zutage, dass der Bush-Doktrin, nämlich Verbreitung von Freiheit und Demokratie durch das Schwert, die langfristige Perspektive fehlte. So war Saddam Hussein zwar schnell gestürzt, mit dem Ende des Diktators begannen für die US-Streitkräfte aber erst die Probleme. Dass der Aufbau von Demokratie auch Behutsamkeit verlangt, Verständnis für andere Kulturen und langfristig geplante Wirtschaftshilfe, war Bush fremd.

Bis 2008 konnte sich der Präsident zumindest damit trösten, eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betrieben zu haben. Die hohen Wachstumsraten und die niedrige Arbeitslosigkeit seien seiner Lehre der niedrigen Steuern sowie der Scheu vor Regulierungen zu verdanken, meinte er.

Mit Beginn der Finanzkrise brach diese Illusion wie ein Kartenhaus zusammen. Der Marktliberale musste mit gigantischen Summen die Finanzbranche - und damit auch die US-Wirtschaft - vor dem Kollaps retten. Der Staat mischt nun überall massiv mit, bei Banken, Versicherungen, in der Autobranche.

Zuletzt wird Bush noch Zeuge, dass ihm selbst ein Erfolg bei seinen Nahost-Bemühungen nicht gegönnt ist. 2007 überraschte er die Welt noch mit einem Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern, das eine schrittweise Lösung vorsah. Diese hätte Dezember 2008 Wirklichkeit werden sollen.