4.168 Jugendliche waren per Ende März als Lehrstellensuchende beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet - jene in "Überbrückungsmaßnahmen" wie Schulungen nicht eingerechnet. Das hauptsächlich als "sozialpolitisches Problem" zu sehen, ist Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) zu wenig: "Wenn die Frage der Qualifizierung der Jugendlichen nicht ernst genommen wird, werden wir beim Lehrstellenproblem nicht weiterkommen."
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So gaben 56% von 562 befragten heimischen Unternehmen (Bürokaufleute, Elektroinstallationstechniker, Schlosser, Tischler) an, Schwierigkeiten zu haben, geeignete Lehrlinge zu finden. Das geht aus der gestern vor Journalisten präsentierten ibw-Studie "Qualitätsanforderungen an Lehranfänger" hervor.
"98% der Lehranfänger haben zwar die Pflichtschule abgeschlossen, in schulischen Basiskenntnissen wie Rechnen und Deutsch gibt es aber Schwachstellen", erläuterte Schneeberger. Beim Rechnen haben Lehrlingsbewerber im technisch-gewerblichen Bereich die meisten Defizite. Fast ebenso oft gibt es Mängel bei der mündlichen Ausdrucksfähigkeit in Deutsch. Dabei werten die Betriebe diese Fächer als sehr wichtig bei der Aufnahme von Mitarbeitern. Bei den Bürokaufleuten stellen die Betriebe ihren Bewerbern bezüglich der Basisqualifikation "Deutsch schriftlich" kein gutes Zeugnis aus. Schneeberger betonte, es gehe nicht um "Topqualifikation", sondern um ein "Minimumlevel".
Die Wirtschaft fordert deshalb österreichweit "saubere, einheitliche Standards", die - so Schneeberger - "den Unternehmen die Garantie geben, dass ein Einser ein Einser, ein Zweier ein Zweier, ein Dreier ein Dreier usw. auch wirklich ist."
"Schule soll Freude machen"
"Ich bin ein großer Skeptiker der Sinnhaftigkeit solcher Normen", sagt Richard Olechowski, Leiter des Instituts für Erziehungswissenschaften an der Uni Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Das Schulsystem lässt sich leider von neoliberalen Tendenzen beeinflussen, bei denen keine Rücksicht auf subjektive Probleme genommen wird."
Olechowski spricht sich für "subjektive Bezugsmaßstäbe" aus, die den jeweiligen Fortschritt des Schülers thematisieren.Verbale Beurteilung sei nur scheinbar ein Gegensatz zu "Standards". Zu früh auf das Erreichen von Standards zu achten bewirke, dass Schüler das Ziel wahrscheinlich schlechter erreichen. Lernen solle Freude machen und die Schule ein Ort sein, wo man sich wohl fühlt. Wichtig ist laut Olechowski, dass das jeweilige Weiterkommen schließlich objektiv als "gut" gilt: "Bei einem Chirurgen hilft es ja auch nicht, wenn er subjektiv laufend Fortschritte macht, objektiv aber nicht."