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Im Falle der vor zwei Wochen untergetauchten Arigona Zogaj ist der "Point of no return" für alle Beteiligten überschritten. Längst ist das 15-jährige Mädchen, das per auf Video festgehaltener Selbstmorddrohung gegen die Abschiebung in den Kosovo kämpft, vom individuellen Einzelschicksal zum Symbol geworden. Das jeder Akteur nach seiner Interessenlage für die eigenen Zwecke instrumentalisiert.
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Am Ende, so steht zu befürchten, wird es in diesem Fall keinen Sieger geben. Die ÖVP und Innenminister Günther Platter nutzen den Anlass, um sich im für Österreichs Wählerschaft besonders sensiblen Fremdenrechtsbereich als Law-and-Order-Partei zu positionieren. Eine gütliche Lösung im Sinne der Familie Zogaj in der derzeit aufgeheizten Stimmung würde sie, so gehen wohl die internen ÖVP-Überlegungen, das Gesicht verlieren lassen. Ohne das geballte Medieninteresse wäre, so gestehen auch ÖVP-Spitzen hinter vorgehaltener Hand offen ein, ein für alle tragbarer Kompromiss wohl längst gefunden.
Während der ÖVP die in der Ausländerpolitik noch rigidere FPÖ im Nacken sitzt, muss sich die SPÖ mit den Grünen auseinandersetzen. Die Ökopartei nutzt den Fall, um ihr in den letzten Wochen herbeigeschriebenes Image einer saturierten Establishment-Partei wieder vergessen zu machen: Demonstrationen, Protestmails, Sondersitzung des Nationalrats samt Misstrauensantrag - die Grünen entdecken dieser Tage ihr aktionistisches Erbe wieder.
So weit, so gut. Bleibt die Frage nach den tieferen Ursachen für die argumentative Hilflosigkeit der beiden regierenden Großparteien. Vor allem die SPÖ-Führung hat alle Hände voll zu tun, die eigene Partei in dieser Frage auf jenem Kurs zu halten, der mit der Zustimmung zu dem schwarz-orangen Asyl- und Fremdenrechtspaket im Jahr 2005 vorgezeichnet war.
Möglich aber auch, dass die Meinungsvielfalt der Kanzlerpartei taktischen Überlegungen geschuldet ist. Ähnlich wie die Volkspartei darauf achten muss, ihre verstreuten liberalen Stimmen nicht ganz verstummen zu lassen, muss auch die SPÖ das politische Flügelspiel pflegen. Ihr in der Opposition gepflegtes liberales Image in Fremdenrechtsfragen kann die Partei jetzt nicht zur Gänze über Bord werfen. Die rote Basis will dennoch gegen die Abwerbeversuche der Blauen verteidigt werden.
Der immer länger werdenden Liste an Lösungsideen für den Fall Zogaj auf Seiten der SPÖ steht auf der anderen Seite die Nicht-Kommunikation der ÖVP beredt gegenüber. Die vertraut darauf, dass die veröffentlichte Meinung schon des Öfteren nicht mit dem tatsächlichen Stimmungsbild der Bevölkerung übereingestimmt hat. Souveränität schaut trotzdem anders aus.
Eine rationale Diskussion über Sinn und Unsinn der bestehenden Fremdenrechtsgesetze übrigens auch. Das Schielen auf und Schüren von Emotionen ist kein Ersatz für eine solche Debatte.