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Ein Ende mit Schrecken

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Analysen

Assad steht mit russischer Hilfe vor der Einnahme der Stadt - auch, weil die USA dabei zusehen.


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Aleppo/Bagdad/Brüssel. Wladimir Putin und Baschar al-Assad wollen in Aleppo unbedingt den Sieg - koste es, was es wolle. Und so wurde die Stadt großflächig bombardiert, bevor Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstagabend verkündet hat, die syrische Armee, die mittlerweile 85 Prozent der Stadt kontrolliert, habe ihre Angriffe vorübergehend eingestellt, damit etwa 8000 Zivilisten die in Sicherheit gebracht werden können.

Im bisher von Rebellen kontrollierten Ost-Aleppo gibt es kein funktionsfähiges Krankenhaus mehr, keinen Strom, kein Wasser, keine Lebensmittel. Die Leute fliehen in Massen in den von Regierungstruppen kontrollierten Westteil. Jetzt sollen die Oppositionellen auch zum Rückzug aus der Altstadt der einst blühenden Handelsmetropole gezwungen worden sein. Seit gut fünf Jahren ist Aleppo die am heftigsten umkämpfte Stadt Syriens, obwohl gerade hier der Widerstand gegen das Regime in Damaskus anfangs am zaghaftesten war.

Ende September 2014 war das Szenario ähnlich, aber die Situation eine ganz andere: Über Stunden ging ein Donnerhagel auf Syrien nieder. 200 Hightech-Geschosse, abgefeuert von vier Dutzend Kampfjets und Marineschiffen. Doch damals warfen nicht die Russen, Syriens Luftwaffe oder Söldner des Iran die Bomben ab, sondern Flugzeuge einer Allianz von Nationen, die man davor für undenkbar gehalten hätte. Angeführt von den USA und Frankreich, nahmen Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate an den Luftschlägen teil. US-Präsident Barack Obama könne es doch, meinten da viele Menschen in Syrien und der Region.

Keine Rücksicht auf Zivilisten

"Wenn es ehrliche Bemühungen gibt, den IS zu bekämpfen, dann wird uns das willkommen sein", sagte damals selbst der syrische Außenminister zur Initiative des US-Präsidenten. Obwohl die IS-Terrormiliz kaum in Aleppo operierte, hatte der Einsatz doch Auswirkungen auf die Stadt.

Ein diffuses Geflecht von Rebellengruppen setzte sich fest und teilte die Viertel unter sich auf. Ein Jahr später sah alles ganz anders aus. Von der "Allianz der Willigen" war keine Rede mehr. Der Rückzug kam einer Kapitulation gleich. Das Vakuum, das er hinterließ, füllten immer mehr fundamentalistisch-muslimische Gruppen, die aus Saudi-Arabien, Katar und den Emiraten am Golf Geld bekamen. Die gemäßigten Gruppen wurden verdrängt. Dann kamen die Russen, die vorgaben, ebenfalls den IS in Syrien bekämpfen zu wollen. Aleppo wurde zum Spielball diverser Machtgelüste. Von Anfang an zählten nur militärische Optionen. Eine politische Lösung für die Stadt stand nie zur Debatte.

Inzwischen ist Aleppo zu einem Symbol geworden und könnte den Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg bringen. Denn die Stellungen der Rebellen brechen immer mehr zusammen. Assad gewinnt die Oberhand. Auch wenn am Donnerstagabend eine Feuerpause eingelegt wurde, um Zivilisten aus dem umkämpften Gebiet zu bringen, wurde die Stadt davor ohne Rücksicht auf die Bevölkerung in Grund und Boden gebombt, mit Brand- und bunkerbrechenden Bomben aus Russland. Die Massivität, mit der Syriens Armee mit russischer Hilfe gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, ist auch der Sympathie des neugewählten US-Präsidenten Donald Trump für Putin geschuldet. Aus Washington ist also kein nennenswerter Widerstand mehr zu erwarten.

Putin nicht zu stoppen

Die lange gehegte Hoffnung, Russen und Amerikaner könnten gemeinsam ein Ende des Wahnsinns in Syrien bewirken, ist inzwischen null und nichtig. Putin scheint in Syrien nicht mehr zu stoppen zu sein. Die Brutalität des Krieges verleitet nun viele zur Ansicht, dass ein Ende mit Schrecken besser sie als ein Schrecken ohne Ende. Doch auch Assad weiß, dass der Sieg über Aleppo nicht das Ende des Bürgerkrieges in seinem Land bedeutet.