Wie die Beziehungen zwischen der EU und dem afrikanischen Kontinent konkret geregelt sind.
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In den meisten Darstellungen der Beziehungen zwischen der EU und Afrika werden zwei Grundlagen genannt: das Cotonou-Abkommen und die Gemeinsame Strategie Afrika-EU, die die politische, ökonomische und entwicklungsspezifische Dimension dieser Partnerschaft umfassen. Das Cotonou-Abkommen, das im Rahmen der seit 1975 bestehenden Abkommen mit den sogenannten AKP-Staaten neben der Karibik und dem Pazifik eben auch die Beziehungen zu den Staaten südlich der Sahara regelt, ist Ende 2021 ausgelaufen. Die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen wurden zwar bereits abgeschlossen, eine Unterzeichnung steht jedoch noch immer aus. Die bisherigen Regeln gelten interimsmäßig weiter, bis zum Inkrafttreten des neuen Abkommens.
Assoziierungsabkommen
Darüber hinaus werden aber die für die afrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten viel wichtigeren jeweiligen Assoziierungsabkommen in der Diskussion rund um die EU-Afrika Beziehungen regelmäßig übersehen. Diese Abkommen (für alle Anrainerstaaten mit Ausnahme Libyens) gewähren eine enge wirtschaftliche und politische Anbindung an die EU. Zusätzlich besteht für diese Staaten auch noch durch die Teilnahme an der Mittelmeer-Union ein weiteres Kooperationsfeld mit der EU. Dieses enge Geflecht an Beziehungen geht in seiner Bedeutung weit über das hinaus, was der normale EU-Afrika-Dialog zu leisten bereit ist.
In der medialen und oftmals auch in der politischen Diskussion regelmäßig außer Acht gelassen wird auch das zwischen Südafrika und der EU im Oktober 1999 geschlossene Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit (TDCA). Ergänzt wird das TDCA unter anderem durch Abkommen über den Handel mit Wein und Spirituosen. Das Ziel des Abkommens, die Schaffung einer Freihandelszone, die 90 Prozent des bilateralen Handels zwischen der EU und Südafrika abdeckt, wurde zwischenzeitlich erreicht. Entsprechend den Vorgaben sind 95 Prozent der EU-Einfuhren aus Südafrika und 86 Prozent der Einfuhren Südafrikas aus der EU liberalisiert. Bei den verbleibenden, nicht liberalisierten Produkten handelt es sich um sensible Waren, die nach Auffassung der Vertragsparteien einen besonderen Schutz benötigen. Auf Seiten der EU sind dies etwa bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse. Südafrika stuft dagegen Industrieprodukte und dabei insbesondere bestimmte Produkte der Automobilindustrie sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie als sensible Güter ein, die besonderen Schutz benötigen.
Gemeinsame Strategie
Schließlich gibt es auch noch drei regionale Strategien, die vom EU-Rat angenommen wurden und die Grundlage für die Politik und die Beziehungen zum Horn von Afrika, dem Golf von Guinea sowie der Sahelzone darstellen. Die Gemeinsame Strategie Afrika-EU wurde 2007 als Grundlage für die Beziehungen der EU mit den Ländern Afrikas ins Leben gerufen. Diese Strategie wurde zwischen der Afrikanischen Union (AU) und den EU-Institutionen sowie zwischen Ländern Afrikas und der EU vereinbart. Sie wird durch periodische Aktionspläne umgesetzt.
Im März 2020 haben die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) die Gemeinsame Mitteilung "Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika" vorgelegt. Darin werden fünf Bereiche zur Zusammenarbeit und Partnerschaft mit Afrika definiert:
grüne Wende und Zugang zu Energie;
digitaler Wandel;
nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung;
Frieden, Sicherheit und gute Regierungsführung;
Migration und Mobilität.
Am 30. Juni 2020 hat der EU-Rat basierend auf dieser Mitteilung Schlussfolgerungen zu Afrika gebilligt, in denen die überragende Bedeutung einer stärkeren Partnerschaft zwischen der EU und Afrika erneut bekräftigt wird.
Förmliche Dialoge
Schlussendlich wird die Partnerschaft EU-Afrika durch förmliche Dialoge auf mehreren politischen Ebenen weiterentwickelt: Dies sind einerseits die sogenannten EU-Afrika-Gipfel zwischen EU und AU auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. Den sechsten Gipfel dieser Art erleben wir gerade in Brüssel. Anderseits finden Treffen auf Ministerebene (oder im Rahmen der sogenannten Troika) statt. Und schließlich gibt es auch noch regelmäßige Treffen zwischen der AU- und der EU-Kommission.
Und als wäre dies alles nicht schon kompliziert und unübersichtlich genug, gibt es insbesondere für die Politikbereiche Sicherheit und Migration weitere, eigene Kooperationsbereiche, Abkommen und Grundlagen zwischen der EU und den Staaten Afrikas. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) hat die EU mehrere militärische und zivile Missionen und Operationen in Afrika eingeleitet. Aktuell finden EU-Missionen finden in folgenden Ländern statt: Zentralafrikanische Republik, Libyen, Mali, Mosambik, Niger und Somalia.
Im November 2015 haben die EU und die Staats- und Regierungschefs der am stärksten von Migration betroffenen Länder Afrikas den Aktionsplan von Valletta vereinbart. Er umfasst 16 konkrete Maßnahmen, die darauf abzielen, den massiven Zustrom von Migranten nach Europa einzudämmen. Ein Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika wurde dafür eingerichtet, um die Ursachen von Vertreibung und irregulärer Migration politisch anzugehen und zu einer besseren Migrationssteuerung beizutragen. Dem Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika stehen aktuell insgesamt Mittel von mehr als 5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die Beziehungen und Probleme zwischen den beiden Kontinenten sind mannigfaltig. Es besteht ein enges, aber manchmal auch unübersichtliches Geflecht von Kooperationen. Kontakte finden in vielen Foren, teils parallel, teils überlappend statt. All das ist zu bedenken, wenn man über den aktuellen EU-Afrika-Gipfel in Brüssel spricht. Er ist nur ein Teil, quasi nur die Spitze des Eisbergs der EU-Afrika-Beziehungen.