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Als sie den Saal im Oberlandesgericht München verließ, ballte sie die Faust und nannte ihren Erfolg "schöner als alle Olympiamedaillen". Ein bisschen Pathos darf’s schon sein bei Claudia Pechstein, jener deutschen Eisschnellläuferin, die sich zuerst als fünffache Olympiasiegerin, dann als verurteilte Dopingsünderin und zuletzt als selbsternanntes Opfer der Sportjustiz einen Namen gemacht hatte. 2009 war sie ohne Dopingbeweis wegen schwankender Blutwerte, die sie auf eine Anomalie zurückführte, für zwei Jahre gesperrt worden. Nun ließ das Gericht ihre Schadenersatzklage (auf 4,4 Millionen Euro) gegen den Weltverband ISU zu. Zwar ist es nur ein Etappensieg, die ISU will Revision einlegen. Doch das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, schließlich geht es längst nicht mehr um Pechstein alleine. Das OLG erklärte die Vereinbarung, bei der sich die Sportler verpflichten müssen, nur die Sportgerichtsbarkeit zu akzeptieren, für unzulässig, den Sportgerichtshof CAS aufgrund eines Monopol- und Machtmissbrauchs für reformbedürftig und öffnet Sportlern die Tür zu ordentlichen Gerichten. Es sei, meinen viele, ein Erdrutsch und eine Entscheidung mit dem Ausmaß des Bosman-Urteils, das 1995 das Transferwesen auf den Kopf gestellt und das gebracht hat, was heute völlig normal ist: dass Fußballer ihren Verein nach Vertragsende ablösefrei verlassen können. Dabei hat sich nur bestätigt, was der Hausverstand schon lange als gegeben ansieht: dass der Sport nicht in einer Blase, jenseits der Justiz, agieren kann. Wenn schon ein Erdrutsch, dann war es einer mit Ansage. Denn 20 Jahre nach Bosman fragt man sich eher, warum es so lange gedauert hat, bis die Sportgerichtsbarkeit ihr Monopol als unfehlbare Letztinstanz verliert.