Nach dem Wahltag gehen die Demonstrationen in Slowenien weiter.
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Ljubljana. Am Sonntag hatten sich die slowenischen Meinungsforscher ausnahmsweise einmal nicht getäuscht. Borut Pahor gewann die Präsidentenstichwahl mit einem Erdrutschsieg. Der Ex-Premier und frühere Parlamentspräsident gewann mit 67,4 Prozent klar gegen den Amtsinhaber Danilo Türk.
Die Meinungen in der Bevölkerung waren einen Tag nach der Wahl unterschiedlich: "Pahor, das ist eine Katastrophe. Der Mann ist ein Schauspieler", sagt Milan S. (60) aus Maribor. Er gab Türk seine Stimme. Die 20-jährige Studentin Sergeja M. findet die Wahl Pahors weder schlecht noch gut: "Er kann im Grunde wenig tun, denn er hat als Präsident nur repräsentative Aufgaben." Zwei ältere Damen aus Ljubljana haben Pahor gewählt: "Wenigstens haben wir jetzt einen feschen Präsidenten", sagt eine.
Über die Ursachen von Pahors Überraschungssieg in der ersten Runde wurde viel spekuliert, doch der Wahlsieg ließ nun keine Zweifel offen: Der Kandidat der Parlamentsopposition führte einen populistischen Wahlkampf und hatte die politische Rechte auf seiner Seite. Die landesweiten Proteste gegen das Establishment spielten eine eher untergeordnete Rolle, sowohl für Pahor, der sich dagegen stellte, als auch für Türk, der die Demonstrationen, die teilweise auch eskalierten, als gerechtfertig ansah. Geschadet haben sie nur der Wahlbeteiligung, die unter 42 Prozent blieb. Dafür gingen am Montag wieder tausende Menschen in Ljubljana und Maribor auf die Straße.
Wie sich Pahor in Szene setzte, um die Wähler zu überzeugen, rief in der Öffentlichkeit Gelächter hervor. Peinlich fand man, dass Pahor, der schon früh in die Politik einstieg, einen Job-Marathon absolvierte und mehrere Wochen hindurch jeden Tag in einen anderen Beruf hineinschnupperte. Weniger sein Stil war, auf Verschwörungstheorien zu setzen. Er sagte im Wahlkampf, dass "Onkel im Hintergrund", eine vermeintliche Elite aus der Zeit des Sozialismus, seine Regierung gestürzt hätten. Derjenige, den er wohl meinte, fühlte sich auch sofort angesprochen: Der ehemalige Präsident Milan Kucan, der den ebenfalls linken Türk unterstützte, forderte Pahor in einem offenen Brief dazu auf, doch die Namen des "Onkels" zu nennen. Das tat er nicht, aber beide Strategien Pahors gingen auf. Auch die zwei Niederlagen im vergangenen Jahr vergaßen ihm die Wähler: Er verlor die Parlamentswahlen 2011 und musste das Premiersamt Janez Jansa überlassen. Auch seine Partei strafte ihn kurz darauf ab und Pahor gab den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei ab.
Pahor will nun ein Bindeglied zwischen Regierung und Opposition sein, um die Reformen, die das Land aus der Krise ziehen sollen, auf Schiene zu bringen. Er laufe Gefahr, der Pressesprecher der Regierung zu werden, monierten manche. Neuwahlen allerdings wären die noch schlechtere Alternative.