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Ein Ergebnis wie bestellt

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Zustimmung liegt bei 90 Prozent: Eine Folge auch der Medienzensur.


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Kairo. Hosni Mubarak ist wählen gegangen und hat mit Ja gestimmt. Das berichtet ein Vertrauter des ehemaligen ägyptischen Langzeitpräsidenten, gegen den vor fast genau drei Jahren am Tahrir-Platz in Kairo die Revolution begann. Jetzt ist der 86-Jährige im Militärkrankenhaus im schicken Kairoer Stadtviertel Maadi untergebracht. Die Verhandlungen in dem wieder aufgerollten Prozess finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Beobachter gehen davon aus, dass die Richter den Angeklagten früher oder später freisprechen werden oder der Prozess gänzlich im Sande verlaufen wird. Vor allem wenn der nächste Präsident General Abdul Fattah al-Sisi heißt - und danach sieht es aus -, steht der Rehabilitierung Mubaraks wohl nichts mehr im Wege.

Der Ausgang des Referendums über eine neue Verfassung hat den General einer Kandidatur für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen jedenfalls ein weites Stück näher gerückt. Mit über 90 Prozent haben die Ägypter die neue Verfassung angenommen. Zwar liegen die offiziellen Zahlen noch nicht vor, doch nach Auszählung eines Großteils der abgegebenen Stimmen ist klar: Es wird ein Traumresultat für die Militärs. Auch die Wahlbeteiligung scheint mit 50 Prozent viel höher als beim letzten Referendum. "Das ist das beste Ergebnis je", jubelt Gamal El Aguizy überglücklich. Er hat den Verfassungstext mit ausgearbeitet. Seit dem Ausbruch der Revolution und dem Sturz Mubaraks ist in Ägypten nun schon zum dritten Mal über eine Verfassung abgestimmt worden. Im März 2011 gingen knapp über 40 Prozent zur Wahlurne, im Dezember 2012 sackte die Beteiligung auf 33 Prozent ab. Jedes Mal wurde der Entwurf mit Mehrheit angenommen, aber nie mit über 90 Prozent. Die Kommentatoren werten das jetzige Ergebnis als fulminante Zustimmung für den Kurs von General Abdul Fattah al-Sisi, den seit dem Sturz des Islamisten-Präsidenten Mohamed Mursi starken Mann am Nil. Seiner Kandidatur zum nächsten Präsidenten Ägyptens steht nun nichts mehr im Wege, so er denn will.

Der Geschäftsmann El Aguizy ist sich nicht sicher, ob der General tatsächlich antreten wird, auch wenn viele Ägypter das wünschen. "Eigentlich brauchen wir jetzt Technokraten, die die Wirtschaft wieder flottmachen", sagt der Honorarkonsul von Lettland, der ausländische Investitionen nach Ägypten zurückbringen will. Diese tendieren seit dem Ausbruch der Revolution vor drei Jahren nahezu gegen null. Das Nilland steckt wirtschaftlich in einer tiefen Krise und hält sich derzeit nur mit großzügigen Krediten von Saudi Arabien und den Vereinigten Emiraten über Wasser.

Mit der neuen Verfassung und den nun folgenden Wahlen hofft El Aguizy, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Und er ist stolz auf seinen eigenen Beitrag. Ihm ist es zu verdanken, dass Ägyptens afrikanische Wurzeln in die Präambel mit aufgenommen wurden. "Die hatten das glatt vergessen", ist Aguizy auch heute noch fassungslos. Dort sollte lediglich stehen, dass Ägypten eine arabisch-islamische Republik sei. Doch in der Präambel steht noch etwas, was für die Zukunft wichtig werden könnte: Ägypten soll ein "moderner, demokratischer, von Zivilisten regierter Staat" sein. Sollte al-Sisi tatsächlich fürs Präsidentenamt kandidieren, müsste er die Generalsuniform ausziehen.

Die überwältigende Zustimmung zur neuen Verfassung kam nicht überraschend. Prognosen über das Ja-Votum bewegten sich alle über 90 Prozent. Die Muslimbruderschaft, die vom Militär im Juli 2013 nach Massenprotesten entmachtet worden war, hatte zu einem Boykott aufgerufen. Bei der starken Polarisierung der politischen Landschaft lag es nahe, dass Gegner der Volksabstimmung fernblieben. Nein-Stimmen drückten sich in der Enthaltung und nicht auf dem Wahlzettel aus.

Versagen der Medien

Nicht nur die Muslimbrüder und deren Anhänger, sondern auch Gegner des Verfassungsentwurfs beklagten grundsätzlich ein Klima der Einschüchterung. Am heftigsten kritisiert wird aber die Rolle der Medien. Ein Bericht des Kairoer Instituts für Menschenrechtsstudien legt das ganze Ausmaß medialer Manipulation während des Verfassungsprozesses dar. Tägliche Auswertungen vom 5. Dezember, als die Erarbeitung des Entwurfs in die letzte Phase trat, bis heute zeigen das Versagen der mittlerweile gleichgeschalteten Medienlandschaft auf. So habe es keinerlei Debatten oder ernst zu nehmende Diskussionen über Inhalte gegeben. Propaganda und emotionale Appelle bestimmten das Feld. Dadurch habe keine objektive Meinungsbildung stattfinden können.

Nach der Schließung von islamistischen TV-Stationen und dem Verbot der Zeitungen, die den Muslimbrüdern und deren Freiheits- und Gerechtigkeitspartei gehörten, hätten die Medien unisono den "Hass auf die Muslimbrüder angeheizt und terroristische Aktivitäten überbewertet, um damit die Zustimmung zur Verfassung zu mobilisieren, die als Heilsbringer zur Beendigung des Terrorismus porträtiert wurde", heißt es in dem Bericht. Das Institut ist eine der wenigen Organisationen, die schon früh die Verletzung der Menschenrechte bei der blutigen Räumung der Protestlager gegen den "Putsch", wie die Muslimbrüder noch immer den Sturz ihres Präsidenten Mohamed Mursis nennen, kritisiert.