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Ein Erkenntnis mit Nachwehen

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Debatte um zweisprachige Ortstafeln lässt die FPÖ nicht abreißen. Das eindeutige Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) reicht Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider nicht aus: Bezeichnete er es in der Vorwoche als "Faschingsentscheidung", griff er gestern VfGH-Präsident Ludwig Adamovich persönlich an - und forderte dessen Rücktritt.


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Landeshauptmann Haider bleibt dabei: Zusätzliche zweisprachige Ortstafeln werde es in Kärnten nicht geben. Er sei zwar zu Gesprächen mit VertreterInnen der slowenischen Volksgruppe bereit - doch nur wenn diese einen Kompromiss anböten, kündigte er in der "Kleinen Zeitung" an.

Die Verhandlungsbasis ist jedoch unklar. Denn für die VolksgruppenvertreterInnen steht fest, was Haider nicht für akzeptabel hält: Das Erkenntnis des VfGH ist nicht verhandelbar. "Das hat es bisher nicht gegeben, dass ein Landeshauptmann das Urteil eines Höchstgerichts als Faschingsentscheidung bezeichnet", meint Marjan Sturm, Obmann des Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten und Vorsitzender des Beirates der slowenischen Volksgruppe. Die Diskussion bewege sich nun auf einer Ebene, für die die Volksgruppe allein nicht zuständig sei. Nun sei auch die Bundesregierung gefragt, Stellung zu nehmen, erklärte Sturm im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Dies hatte auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, am Wochenende gefordert. Gestern Nachmittag traf er Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu einem Gespräch, das er dann allerdings nicht kommentieren wollte. Schüssel selbst hielt sich mit einer Stellungnahme ebenfalls zurück: Er werde heute, Dienstag, nach dem Ministerrat die Angelegenheit ansprechen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.

,Keine Gründe für Rücktritt'

Unterdessen ging Haider einen Schritt weiter und griff nicht nur den Verfassungsgerichtshof, sondern dessen Präsidenten persönlich an. Dieser habe die Unwahrheit gesagt und solle zurücktreten. "Maßlose Verärgerung, aber keinerlei Schuldgefühl" empfand daraufhin Adamovich. Er würde derzeit auch durchaus gerne zurücktreten, aber er wolle "nicht den Eindruck erwecken, dass es objektive Gründe für einen Rücktritt gäbe".

Was aber sehr wohl vorliegt, ist laut Adamovich ein Missverständnis. Der VfGH-Präsident hatte im ORF-Radio über seine Gespräche mit Haider sowie mit dem slowenischen Präsidenten Milan Kucan berichtet und gesagt: "Ich habe auch mit dem slowenischen Präsidenten gesprochen, aber gerade weil ich vorher mit dem Landeshauptmann geredet habe. Der hat alle möglichen interessanten Rechtsfragen angesprochen, aber mit keinem Wort diese Ortstafelgeschichte." Nachdem ihm Haider vorgeworfen hatte, zu lügen, präzisierte Adamovich: Nicht Haider, sondern Kucan habe die Ortstafelfrage ausgelassen.

Suche nach Lösung

Weniger heftig als die Reaktionen der FPÖ - auch Klubobmann Peter Westenthaler bezeichnete das VfGH-Erkenntnis als "skurril" - fallen die Stellungnahmen der VolksgruppenvertreterInnen aus. Bernhard Sadovnik, Obmann des Rates der Kärntner Slowenen plädiert dafür, "ohne Emotionen an die Sache" ranzugehen und nach einer Lösung zu suchen, "die im Sinne der Volksgruppe, des Entscheides und auch der Parteien sein wird".

Ähnlich sieht dies Hubert Mikel vom Österreichischen Volksgruppenzentrum. Die Kärntner Bevölkerung werde sich nicht emotionalisieren lassen, hofft er. Auch er verweist auf Anfrage der "Wiener Zeitung" auf das eindeutige VfGH-Erkenntnis - und dass dieses zu erfüllen sei.

Der VfGH selbst gibt eines zu bedenken: Der Artikel 7 des Staatsvertrags von Wien ist nicht nur verfassungsrechtlich geschützt, sondern gleichzeitig Teil des internationalen Völkerrechts. Wird dem Erkenntnis des VfGH nicht Genüge getan, bedeutete dies nicht nur den Bruch der österreichischen Bundesverfassung sondern auch einen Verstoß gegen das Völkerrecht.

Damit würde Haider gelingen, was die österreichischen Volksgruppen bisher nicht geschafft haben, meint Marjan Sturm. Der Landeshauptmann würde die Ortstafel-Debatte internationalisieren.