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Nehammer-Breitseite beim Gewerkschaftstag gegen Marx und Babler, für SPÖ-Chef ist ÖVP "radikal".
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Der Bundeskanzler, der Nationalratspräsident, der ÖVP-Klubobmann, der Bildungsminister und der Wiener ÖVP-Obmann in der ersten Reihe fußfrei: Zum Wechsel an der Spitze der Christgewerkschafter (FCG) von Norbert Schnedl nach 17 Jahren zur ÖVP-Parlamentarierin Romana Deckenbacher kam eine ganze Reihe von ÖVP-Spitzenpolitikern. Es war eine Referenz an die vor allem im öffentlich Dienst starke FCG-Fraktion.
Bundeskanzler ÖVP-Obmann Karl Nehammer nützte am Dienstag die Grußworte zu einer Abgrenzung und Abrechnung mit dem Marxismus. Ohne Namen zu nennen eröffnete er damit den Wahlkampf für die nächste Nationalratswahl gegen den neuen SPÖ-Chef Andreas Babler, der sich als Marx-Anhänger geoutet hatte und am Nachmittag vor der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfraktion sprach.
Die christlich-sozialen Werte stünden "im Wettbewerb mit denen von Marx", so Nehammer. Kein einziges Land, kein einziges Volk, das sich dem Marxismus verschrieben habe, "konnte sein Glück frei entfalten", warnte der Kanzler vor rund 500 FCG-Funktionären im Austria Center. Die FCG mit ihren christlich-sozialen Werten stelle den Menschen und dessen Freiheit in den Mittelpunkt und nicht die Masse, sagte der Regierungschef. Fortschritte habe "kein kommunistisches Manifest" gebracht, sondern die Freiheit des Menschen, betonte er unter Applaus. Verbesserungen würden "nicht die Ränder, die Extreme weder links noch rechts" bringen, so Nehammer: "Das Angstnehmen ist das Wichtigste." Man habe einen weiten Weg vor sich.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger assistierte gleich danach, indem er zu Geschlossenheit hinter Nehammer bei der nächsten Nationalratswahl in drastischen Worte aufrief: "Verhindern wir, dass ein Kommunist, ein Marxist oder ein rechtsextremer Populist an die Spitze des Staates kommen." Damit bekam neben Babler ungenannt auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl sein Fett ab.
"Radikal sind Leute wie der Benko"
Als Obmann des ÖVP-Arbeitnehmerbundes kündigte Wöginger für die ÖAAB-Vorstandssitzung am Mittwoch drei Entlastungsforderungen an. Dazu zählte er eine Anhebung des Kilometergeldes für Pendler von 42 auf mindestens 50 Cent pro Kilometer. Auch die Tagesdiäten für Arbeitnehmer müssten erhöht werden. Schließlich müssten Überstunden steuerlich mehr begünstigt werden.
Parallel zur FCG fand der Fraktionstag der roten Gewerkschafter (FSG) im Austria Center statt. SPÖ-Chef Babler machte sich nach der Mittagspause beim FSG-Fraktionstag ein bisschen lustig, dass er aus "Radikaler, Linker, Träumer" bezeichnet werde. Radikal sei vielmehr, dass die ÖVP Großspender bevorzuge. "Radikal sind Leute wie der Benko", donnerte er mit Blick auf die Kika-Leiner Finanzprobleme und den Abbau von 1.900 Mitarbeitern in den Saal. Radikal sei Arbeitsminister Martin Kocher, der Arbeitnehmer hin- und herschiebe, radikal sei die Senkung der Körperschaftssteuer für Großunternehmen. Nachsatz: "Und nicht wir, wenn wir unsere Rechte einholen, die uns zustehen."
In der immer wieder umjubelten Rede Bablers warnte dieser die anderen Parteien, die SPÖ fürchte nichts und niemanden. SPÖ und Gewerkschaft seien "siamesische Zwillinge". Inhaltlich bekräftigte Babler, der als Arbeiterkind vor den roten Gewerkschaftern hörbar auflebte, die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ("Steht uns zu "), denn man sei als Arbeitnehmer kein Bittsteller. Für Pensionisten dürfe es nach langen Berufsjahren keine Abschläge mehr geben, "weil wir eh g’hacklt haben". Die stärkere Position der Wirtschaft in der Gesundheitskasse möchte er rasch rückgängig machen: "Es ist eine Sauerei, dass sie uns unsere Krankenkasse weggenommen haben".
FSG und FCG wählen neue Spitze
Josef "Beppo" Muchitsch wurde dann mit 96,2 Prozent zum neuen Vorsitzenden der FSG gewählt. Er folgt Rainer Wimmer, den er mit einem eigenen Text zum Hit "An Tagen wie diesen" aufs Podium holte. Zum Abschluss bat Muchitsch die roten Gewerkschafter, bei der abendlichen Eröffnung des ÖGB-Bundeskongresses auch bei Ehrengästen, die man nicht so wolle, keine Buhrufe und keine Pfiffe abzugeben: "Aber wir dürfen ja ganz leise klatschen."
Erst am späteren Nachmittag wählte die Christgewerkschaft ihre neue Vorsitzende. Die Nationalratsabgeordnete Romana Deckenbacher übernahm das Amt von Norbert Schnedl, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD). Sie wurde mit 97,7 Prozent gewählt und wird auch Vize-Präsidentin des ÖGB. Bei der GÖD übernimmt sie aber nicht den Vorsitz von Schnedl übernehmen wird. Dort wird am 12. September der AHS-Lehrergewerkschafter Eckehard Quin als gewählt, einstimmig nominiert ist er schon.
Update 16.06 Uhr mit Wahlergebnissen und Babler-Rede.