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Ein EU-Eiertanz um die Zahlungsmoral

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Rechnungen über 1900 Milliarden werden erst nach der Zahlungsfrist beglichen. Foto: bb

Geplantes EU-Gesetz mit Ausnahmen. | Kaum Sanktionen bei Zahlungsverzug. | Brüssel. Kurz vor der Sommerpause konnten sich die EU-Länder doch noch auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen, dessen Sinn manche Experten bezweifeln: Grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen sollen Behörden künftig ihre Rechnungen bezahlen. Für Unternehmen gilt eine Frist von 60 Tagen.


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Wird diese Frist nicht eingehalten, setzt es einen pauschalen Mindestspesenersatz von 40 Euro für das Mahnwesen. Jeder Cent, den Anwaltsbriefe und ähnliche Eintreibungsmaßnahmen mehr kosten, ist voll erstattungspflichtig.

Für die Verzugszinsen darf der Gläubiger mindestens sieben Prozent auf den marktüblichen Zinssatz aufschlagen. Weitere Strafzahlungen für den säumigen Zahler sind nicht mehr vorgesehen.

Damit wird ein EU-Gesetzesvorschlag deutlich abgeschwächt, mit dem die Zahlungsmoral in der Union deutlich gehoben werden sollte. Denn Rechnungen über nicht weniger als 1900 Milliarden Euro würden derzeit erst nach Zahlungsfrist beglichen, heißt es aus der EU-Kommission. Als besonders schlechte Zahler wurden öffentliche Körperschaften wie Ministerien und Kommunen identifiziert. 1200 der zu lange offenen Milliarden schulden sie ihren Auftragnehmern.

Säumige Behörden

Daher sollte das geplante EU-Gesetz auch in erster Linie die öffentlichen Auftraggeber an die Kandare nehmen und zu rechtzeitigeren Begleichung der Rechnungen bewegen. Als Strafe waren ursprünglich bis zu fünf Prozent des Rechnungsbetrags vorgesehen.

Schließlich lassen sich die Behörden laut Kommissionsangaben im EU-Schnitt 65 Tage Zeit, bis sie für erbrachte Leistungen bezahlen. In Italien dauert es durchschnittlich 135 Tage, in Griechenland 160.

Doch scheinbar hatten die Regierungen nicht allzu großes Interesse an strikten Zahlungsfristen für sich selbst. Daher wurden die neuen Verpflichtungen auch auf Rechnungen ausgeweitet, die Unternehmen einander stellen - was Rechtsexperten umgehend als unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit kritisierten. Damit das Korsett nicht zu eng ist, dürfen die Zahlungsfristen für Behörden ausnahmsweise auf 60 Tage ausgeweitet werden. Unternehmen dürfen vertraglich noch darüber hinausgehen, wenn ansonsten eine Vertragspartei grob benachteiligt wäre.

Nach dieser Einigung der Mitgliedsstaaten muss der geplante Rechtsakt mit dem EU-Parlament abgestimmt werden.

Ende August soll die erste Verhandlungsrunde dazu stattfinden. Und dann muss alles rasch gehen. Denn spätestens im Oktober sollen die Abgeordneten im Plenum darüber abstimmen. Gibt es bis dahin keine gemeinsame Position von Ländern und Parlament, geht das Projekt in die zweite Lesung und verzögert sich wohl um ein weiteres Jahr.