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Ein EU-Vorsitz mit Fragezeichen

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Der Autor war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".

Sloweniens EU-Präsidentschaft wirft viele Fragen auf, vor allem nach der Medienfreiheit.


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Slowenien übernimmt heute turnusmäßig nach Portugal den halbjährigen Vorsitz im EU-Rat. Die Prioritäten des Landes reichen von der Stärkung der strategischen Autonomie der EU über den Klimaschutz und die Förderung der Rechtsstaatlichkeit bis zur Stabilität für den Westbalkan.

Das sind durchaus wichtige und bedeutsame Zielsetzungen. Aber Zweifel sind bei einigen Punkten angebracht: Wie will sich die slowenische Regierung für Klimaschutzziele der EU einsetzen, wenn Premierminister Janez Jansa wiederholt angezweifelt hat, dass die globale Erwärmung von Menschen verursacht wird? "Wir wünschen uns eine Union, die auf der Achtung der Menschenwürde beruht, die die Menschenrechte schützt, einschließlich der zunehmend bedrohten Redefreiheit", schreibt er zur Begrüßung auf der Homepage des EU-Vorsitzes Sloweniens. Doch es ist derselbe Politiker, der regelmäßig Journalisten beschimpft. So hat Jansa kürzlich eine Journalistin des Brüsseler Magazins "Politico", die über den zunehmenden Druck der Regierung auf Medien in Slowenien berichtet hatte, auf Twitter mit dem Vorwurf attackiert, sie würde ihren Lebensunterhalt mit "Lügen" verdienen. Auch einem deutschen ARD-Korrespondenten warf er wegen eines kritischen Beitrags über die Medienlage in Slowenien Zensur im Stile von "Prawda" und "Stürmer" vor.

Bereits 2018 hat Jansa als Oppositionschef zwei Journalistinnen des staatlichen slowenischen Fernsehens als "ausgediente Prostituierte" beschimpft. "Marschall Tweeto", wie Jansa wegen seiner vielen Twitter-Meldungen spöttisch genannt wird, wurde von der für Grundwerte zuständigen EU-Kommissarin Vera Jourová schon im Vorjahr für "Hass und Drohungen" gegen Journalisten kritisiert. Dass Jansa einst selbst für das slowenische Jugendmagazin "Mladina" kritische Berichte über Korruption in Jugoslawien schrieb und 1988 deshalb auch in Haft genommen wurde, dürfte er verdrängt haben.

Das Mitglied der christdemokratischen Parteienfamilie EVP hat zuletzt auch die staatliche Presseagentur Sloweniens STA massiv unter Druck gesetzt, indem Jansa finanzielle Zuwendungen strich. Seiner Ansicht nach berichtet die STA über ihn und seine Regierung nicht positiv genug. Die Agentur mit rund 100 Mitarbeitern kämpft seither - auch via Crowdfunding - ums Überleben.

Nicht nur für internationale Journalistenorganisationen befindet sich Sloweniens Regierung längst auf dem autoritären Weg von Ungarn und Polen. Daher kann Jansas Versprechen, die "europäischen Grundwerte" im nächsten Halbjahr zu verteidigen, nicht überzeugen. Als EU-Ratsvorsitzender will er sich für "eine glaubwürdige und sichere Europäische Union, die Sicherheit und Stabilität gewährleisten kann", einsetzen. Dazu soll auch ein Westbalkan-Gipfel in Slowenien stattfinden. Doch sein Kampf für ein stärkeres Europa wird von seltsamen außenpolitischen Alleingängen überschattet. So gratulierte er als einziger EU-Regierungschef im November 2020 nach den USA-Wahlen Donald Trump zu dessen vermeintlichem Sieg, mit viel Kritik an "Mainstream-Medien", die Fakten missachten würden.