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Macron ist bei der Präsidentschaftswahl Favorit. Seine gefährlichsten Gegner kommen vom politischen Rand.
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Lange hat er gezögert. Erst vor gut einem Monat gab Frankreichs Präsident Emmanuel Macron offiziell bekannt, dass er auch in den kommenden fünf Jahren den mächtigen Posten des Staatschefs bekleiden will. Am Sonntag stellt er sich der Wahl, gemeinsam mit weiteren elf Kandidaten. Da sich aber nicht abzeichnet, dass ein Bewerber schon in der ersten Runde mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, werden die Franzosen wohl am 24. April nochmals zu den Urnen gerufen. Dabei hat die rechte Kandidatin Marine Le Pen die größten Chancen, gegen Macron anzutreten. Aber auch andere Bewerber hegen Hoffnungen auf einen Einzug in die Stichwahl, auch wenn ihre Chancen geringer sind.
Emmanuel Macron: Europa als Programm
Statt auf Wahlkampftour wollte sich Emmanuel Macron auf eine Friedensmission begeben. Schon vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine war der französische Präsident bemüht, eine Vermittlerrolle einzunehmen, seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin auf diplomatischem Wege zu begegnen. Erreicht hat er freilich wenig. Allerdings hat die Invasion ein Thema in den Fokus gerückt, das Macron seit Jahren ein Anliegen ist: den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik. Dass er an einer Neuordnung der Europäischen Union interessiert ist, machte Macron schon zu seinem Amtsantritt 2017 klar. Mit damals 39 Jahren zum jüngsten Präsidenten in der französischen Geschichte gewählt, präsentierte er sich als begeisterter Europäer. Das war auch Teil des Programms seiner erst wenige Monate zuvor gegründeten liberalen Bewegung "En Marche". Ohne langjährige politische Erfahrung schaffte es Macron an die Staatsspitze und stellte zunächst ein vielfältiges Kabinett zusammen. Als eine seiner engsten Beraterinnen gilt seine 24 Jahre ältere Ehefrau Brigitte.
Es folgten innenpolitische Reformen wie jene des Arbeitsmarktes, der Bahn und der Universitäten. Heftiger Widerstand kam dann aber 2018 von der Protestbewegung der "Gelbwesten", die sich ursprünglich gegen hohe Benzinpreise wandten. Die sich über Monate ziehenden Demonstrationen mündeten in teils heftigen Ausschreitungen.
International musste sich Macron vor allem mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel arrangieren, was sich etwa in der Fiskalpolitik schwierig gestaltete. Doch warben dann beide in der EU erfolgreich für ein Corona-Wiederaufbaupaket. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine überschatteten denn auch in den vergangenen Monaten und Wochen die Amtszeit des Ex-Investmentbankers und Wirtschaftsberaters des früheren sozialistischen Präsidenten Francois Hollande. Gleichzeitig versuchte Macron, europapolitisch den Raum auszufüllen, der während der Regierungsverhandlungen in Deutschland frei geworden war. Derzeit hat Frankreich den EU-Vorsitz inne - geht es nach Macron, soll es auch in den kommenden Jahren eine führende Rolle in der EU spielen.
Marine Le Pen: Rechtspopulistin mit langem Atem
Weit EU-skeptischer präsentiert sich da Marine Le Pen, deren Rückstand zu Macron sich in den vergangenen Tagen laut Umfragen stark verringert hat. Es ist ihr dritter Versuch, Präsidentin Frankreichs zu werden. Mittlerweile fordert die Politikerin keinen EU-Austritt mehr, so wie sie generell ihren Ton etwas gemildert hat. Es war nämlich ihr Plan, die rechtsextreme Partei Front National, die Marine von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen vor gut zehn Jahren übernommen hatte, auch für Mitte-Rechts-Wähler tragbar zu machen. Der Konflikt führte zum Ausschluss des Parteigründers aus der Gruppierung.
Ihre Partei nannte Le Pen "Rassemblement National"; nun wünscht sich die 53-Jährige - im Falle eines Wahlsiegs - ein Referendum über ein neues Einwanderungsgesetz und eine Bevorzugung der Franzosen etwa bei Sozialleistungen. Ebenso fordert die Rechtspopulistin wegen der steigenden Energiepreise eine radikale Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas, Strom und Treibstoff. Ihr Motto dabei: "Wir müssen den Franzosen ihr Land und ihr Geld zurückgeben."
Zunächst aber müsste Le Pen gegen den Amtsinhaber-Bonus gewinnen, und auch ihre Haltung zu Russland bereitete ihr im Wahlkampf Probleme. Le Pen ist als langjährige Sympathisantin von Präsident Putin bekannt.
Jean-Luc Melenchon: Berufspolitiker als Rebell
Auch Jean-Luc Melenchon zählte lange zu den Russland-Apologeten. Bis kurz vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kritisierte er vor allem die Nato, der er eine provokatorische und dümmliche Politik gegen Moskau vorwarf. Nun ist Melenchon gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und hält an seiner Position fest, dass Frankreich die Nato verlassen sollte. Innenpolitisch steht er aber an einem ganz anderen Rand als Le Pen: Jean-Luc Melenchon ist ein Linksaußenpolitiker.
Er ist ein Linker, dem die traditionelle Linke nicht mehr links genug ist. Nach einem Studium der modernen Literatur und der Philosophie wurde der Aktivist bald Berufspolitiker und trat 1977 in die Parti socialiste (PS) ein. Doch mit den Jahrzehnten rückte ihm diese zu sehr in die Mitte, er trat 2008 aus und gründete daraufhin eine neue linke Sammelbewegung. Nun will er den Mindestlohn auf 1.800 Euro erhöhen sowie Grundnahrungsmittel und Benzin stärker öffentlich stützen lassen. Außerdem spricht sich Melenchon für ein Pensionsantrittsalter von 60 Jahren und eine Amnestie von verurteilten Anhängern der "Gelbwesten"-Proteste von 2018/19 aus.
Melenchon - der sich auch schon mal ein Handgemenge mit Polizisten lieferte, wofür er eine bedingte Haftstrafe ausfasste - inszeniert sich gerne als Rebell und bezeichnet sich selbst als Albtraum der Eliten. Bei der Präsidentenwahl 2017 holte er beachtliche 19,58 Prozent der Stimme. Nun wirbt er damit, dass er der einzige Kandidat der Linken sei, der Chancen auf den Einzug in die Stichwahl hat.
Eric Zemmour: Rechtsausleger aus Algerien
Der dritte im Bunde der Putin-Versteher ist Eric Zemmour. Auch jetzt verurteilt er weiterhin die Sanktionen des Westens gegen Moskau und plädiert stattdessen für eine Aufrechterhaltung "der französischen Tradition des Dialogs mit Russland".
Damit liegt er auf der Linie der extremen Rechten, deren neue Galionsfigur er werden will. Der selbst aus einer algerisch-jüdischen Familie stammende Zemmour positioniert sich mit stark islam- und migrationsfeindlichen Tönen. Der einstige Journalist und Buchautor, der bereits zweifach - wegen Anstachelung zur Rassendiskriminierung und zum Hass gegen Muslime - verurteilt wurde, fordert etwa einen Immigrationsstopp, ein Verbot von "nicht-französischen" Vornamen und islamischen Kopftüchern und warnt vor einem "großen Bevölkerungsaustausch". Auch der Name seiner Bewegung, "Reconquete!" (Wiedereroberung), bezieht sich ganz offensichtlich auf die spanische Reconquista, die schrittweise Verdrängung der islamischen Herrschaft von der iberischen Halbinsel durch christliche Mächte.
Ging es zunächst in den Umfragen steil bergauf für Zemmour, verlor er in den letzten Wochen an Zustimmung. Er selbst gibt sich aber noch Chancen, die Nummer eins der Rechten und somit der große Herausforderer von Macron zu werden.
Valerie Pecresse: Glücklose Konservative
Die Hoffnungen von Valerie Pecresse sind mehr oder weniger bereits zerstoben: Während sie im Jänner noch gleichauf mit Marine Le Pen lag und damit gute Chancen auf den Einzug in die Stichwahl hatte, ist die Konservative zuletzt abgestürzt und lag abgeschlagen bei zehn Prozent. Verantwortlich dafür sind laut französischen Kommentatoren sowohl glücklose Auftritte von Pecresse - sie wirkte bei so mancher Rede und manchem Auftritt nicht souverän - als auch der Umstand, dass sie zwischen dem Mitte-Politiker Macron und den Rechtsauslegern Le Pen und Zemmour zerrieben wird und nicht ihre Position findet.
Die erste weibliche Kandidatin der Republikaner war unter der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy Budget- und Hochschulministerin. Seit 2015 ist die 54-Jährige die Präsidentin der Regionalvertretung der Hauptstadtregion Ile-de-France. Die Absolventin von Eliteuniversitäten schreibt sich selbst Qualitäten von Angela Merkel und Margret Thatcher zu¸ was das Verteidigen der Interessen des eigenen Lands angeht - als ähnlich erfolgreiche Wahlkämpferin wird sie aber voraussichtlich nicht in die Geschichte eingehen.
Anne Hidalgo: Bürgermeisterin auf verlorenem Posten
Dass sich die Hauptstadt Paris massiv vom Rest Frankreichs unterscheidet, scheint bei Anne Hidalgo wieder einmal zuzutreffen. Zwei Mal hintereinander gewann die Sozialdemokratin die Bürgermeistwahl in Paris, was bei der 62-Jährigen offenbar Ambitionen auf das höchste Staatsamt weckte. Doch bei der landesweiten Präsidentschaftswahl geben die Umfragen der in einem Arbeiterviertel aufgewachsenen Tochter spanischer Einwanderer derzeit nur zwei Prozent der Stimmen.
Dabei hatte ihre Partei, die PS, mit Francois Holland von 2012 bis 2017 noch den Staatspräsidenten gestellt. Doch dann folgte der Absturz. Nun wirbt Hidalgo, die sich in Paris auch als Umweltpolitikerin einen Namen machte und nun für einen Importstopp des russischen "Öls der Schande" wirbt, damit, dass sie die Vertreterin "der realistischen und vernünftigen" Linken sei. Aber die Franzosen neigen derzeit offenbar mehr zu Extremen. (czar/klh)
Thema: Präsidentschaftswahl in Frankreich