Zum Hauptinhalt springen

Ein ewiges Hin und Heer

Von Simon Rosner

Politik

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil will das Sparprogramm beenden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Einmal im Jahr fährt das Bundesheer mit allem auf, was es zu bieten hat. Die Leistungsschau rund um den Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz ist zu einem wahren Großereignis geworden, im Vorjahr sollen 1,5 Millionen Menschen dabei gewesen sein. Dieses enorme Interesse an den Streitkräften an jenen Tagen stellt aber eher einen Ausreißer dar.

Im OGM-Vertrauensindex der Institutionen rangiert das Bundesheer meilenweit hinter der Polizei, und die sukzessive schlechter werdende budgetäre Lage des Heeres kann man auch als Ausdruck einer nicht gerade im Übermaß vorhandenen Wert- und Wichtigschätzung durch die Öffentlichkeit interpretieren. Der Aufschrei über Sparprogramme hielt sich jedenfalls - außerhalb des Bundesheeres - in Grenzen.

Es mag vorrangig an einer sehr langen Periode des Friedens liegen, dass die Landesverteidigung in der Bevölkerung an Bedeutung verloren hat und deshalb zu einem primären Einsparungsziel so ziemlich jeder Bundesregierung geworden ist. Die Krux ist jedoch, dass sich durch permanente Etatkürzungen die Schlagkraft so reduziert, dass die Menschen dem Heer dann nicht mehr zutrauen, im Fall der Fälle für Sicherheit sorgen zu können.

"Das Bundesheer ist chronisch unterausgestattet", sagt Heinz Gärtner, Sicherheitsexperte und Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Er ist mit dieser Ansicht nicht allein, auch der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) fordert mehr Mittel. Das haben freilich seine Vorgänger auch in unregelmäßigen Abständen, und jedenfalls bei ihren Amtsantritten, kundgetan. Durch die Terroranschläge in Paris und jetzt in Brüssel könnte aber sehr wohl ein Fenster der Gelegenheit aufgehen. In Europa ist die Zeit des Friedens und der Ordnung jedenfalls scheinbar vorbei.

Neue Rollenverteilung zwischen Heer und Polizei

"Die aktuelle Terrorbedrohung stellt auch das Heer vor neue Aufgaben", wird Doskozil in der "Kronen Zeitung" zitiert. Er will drei neue Black-Hawk-Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge, Drohnen sowie eine Drohnenabwehr. Bereits vor mehr als einem Jahr waren 350 Millionen Euro mehr für die Landesverteidigung in den Jahren 2016 bis 2019 vereinbart und im vergangenen Herbst im Budget beschlossen worden.

Es ist jedoch nicht ganz klar, welche Aufgabe dem Bundesheer in der Terrorabwehr überhaupt zukommt. Vor Jahrzehnten noch war die Rollenverteilung klar: Das Militär schützt die Grenze und die Polizei sichert Österreich im Inneren ab. Mit dem Zerfall des Ostblocks und danach mit dem EU-Beitritt hat sich die Situation für die Landesverteidigung aber völlig verändert. Dafür ist die Sicherheit nun durch Terrorangriffe bedroht, die wiederum von Einzelnen oder kleinen Gruppen verübt werden. Das ist primär Polizeiarbeit, in die Zuständigkeit des Militär fällt hier nur der Schutz kritischer Infrastruktur, etwa von Kraftwerken oder Staudämmen.

"Die kritische Infrastruktur ist der Bürger geworden, und den kann man militärisch nicht schützen", sagt Gärtner. Wenn etwas passieren sollte, kann das Bundesheer zwar sehr wohl Soldaten bereitstellen, eine größere Wichtigkeit im Bereich der Terrorbekämpfung und Anschlagsprävention kommt aber den militärischen Nachrichtendiensten zu. Hier ist einerseits die Frage der nationalen und internationalen Zusammenarbeit bedeutsam, Gärtner weist aber darüber hinaus auf ein generelles Manko hin: "Die Wahrscheinlichkeitsanalyse muss verbessert werden. Man hat zu viele Informationen, aber zu wenig Analysekraft", sagt er.

Während es in Zeiten des Kalten Krieges noch überaus schwierig war, an Daten zu gelangen, gibt es jetzt weltweit ein Übermaß davon, jedoch zu wenig Know-how, um aus ihnen auch einen befriedigenden Erkenntnisgewinn zu erzielen. Gärtner fordert in diesem Zusammenhang ein generelles Umdenken. Das massenhafte Sammeln von Daten soll dabei nicht an erster Stelle stehen, sondern vielmehr die Analyse der Bedrohung. "Erst dann soll man sich ansehen, welche Daten es für die einzelnen Bedrohungen gibt."

Hinsichtlich der Terrorbekämpfung ist jedenfalls die Polizei die erste Adresse, wenn es um nationale Sicherheit geht. Die Polizei war es auch, die im Dezember mutmaßliche Dschihadisten in Salzburg festgenommen hat, die seither in Untersuchungshaft sitzen. Sie dürften zumindest Kontakte zu jenen Personen haben, die in Paris und wohl auch in Brüssel Anschläge verübt haben.

Auslandseinsätzeals Terrorprävention

Mehr Budget braucht das Bundesheer aber dennoch. Zum einen ist die Grenzsicherung - Schengen hin oder her - durch die Fluchtwelle wieder ein Thema geworden, und für den Assistenzeinsatz braucht es einfach mehr Personal. Zum zweiten ist auch das Thema Friedenssicherung bedeutsam. Gärtner plädiert dafür, dass sich Österreich künftig "vom Balkan bis Nordafrika" verstärkt einbringt. Unter UNO- oder EU-Mandat ist Österreich mit insgesamt 1000 Mann im Auslandseinsatz.

Diese Einsätze sind nicht nur, aber auch im Sinn einer Terrorprävention zu verstehen, etwa in Mali oder in Bosnien, zwei nach wie vor instabile Länder, in denen der Dschihadismus gedeiht. Das ist zwar seit Jahren bekannt und ebenso die Notwendigkeit, dort für stabile Verhältnisse zu sorgen. Wie bei ziemlich allen politischen Themen zeigt sich aber auch hier, dass es schwierig ist, Budgetmittel für Prävention zu lukrieren. Es braucht fast immer einen Anlass. Brüssel könnte einer sein.