)
Die Präsidentenwahl im Norden Zyperns bringt neuen Schwung in die Gespräche um eine Wiedervereinigung der Insel.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Solche Sorgen haben die meisten Bürgermeister nicht. Aber die meisten stehen auch nicht einer geteilten Stadt vor. So eine ist Nikosia. Die Hauptstadt Zyperns ist seit mehr als vier Jahrzehnten auseinandergerissen. Im Süden ist der griechische Teil, und ihm gegenüber liegt der Verwaltungssitz der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Auf der einen Seite zahlen die Menschen mit Euro, auf der anderen mit türkischen Lira. Von hier gibt es Flüge nach ganz Europa, von dort nur nach Ankara oder Istanbul.
Doch abgesehen von den politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen müssen sich die Bürgermeister hier und dort - denn es gibt einen griechisch und einen türkisch-zypriotischen - mit den Folgen so einer Situation für eine Stadt auseinandersetzen. Durch deren Mitte geht eine Pufferzone, die von den Vereinten Nationen nach den Kämpfen zwischen Griechen und Türken in den 1970er Jahren eingerichtet wurde. Brachliegendes Land, verfallende Gebäude, Stacheldraht und Mauern, die Gassen abrupt enden lassen - all das darf nicht verändert, verrückt oder abgetragen werden. Und wenn ein Haus einstürzt? Dann müssen die beiden Gemeinden mit der UNO eine Lösung finden. Und wenn es eine Rattenplage gibt und die Tiere nicht einfach an der Grenzlinie Halt machen? Oder wenn ein Fluss, der sich ebenfalls nicht um Absperrungen schert, gesäubert gehört? Die Kommunalverwaltungen müssen zusammenarbeiten.
Mit solchen und ähnlichen Schwierigkeiten hatte Mustafa Akinci, wie sein griechisches Gegenüber, 14 Jahre lang zu tun. Bis 1990 war er Bürgermeister des Lefkosa genannten nördlichen Teils der Hauptstadt, danach übernahm er Posten im Parlament und in der Regierung. Nun kann er seine Erfahrungen auf kommunaler und Länderebene im höchsten Amt einbringen: Vor wenigen Tagen ist Akinci zum Präsidenten Nordzyperns gewählt worden. Im Süden freilich ist auch dieses Amt nicht anerkannt; vielmehr ist vom "Volksgruppenführer" die Rede.
Die Wahlentscheidung selbst wurde aber begrüßt. Der liberale Politiker Akinci gilt als moderater denn sein Vorgänger Dervis Eroglu, der auf eine enge Bindung mit der Türkei setzte. Der Staatspräsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, telefonierte noch am Tag des Votums mit Akinci, und beide vereinbarten eine rasche erneute Aufnahme der Gespräche zur Überwindung der Teilung der Mittelmeerinsel. Schon für kommende Woche ist ein Treffen geplant.
Die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung Zyperns, die bereits seit Jahren von einem ständigen Auf und Ab, einem Schwanken zwischen Hoffnung und Resignation geprägt sind, waren in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. Ein Streit um mögliche Erdgasvorkommen im Mittelmeer und Bohrrechte belastete das Verhältnis. Auch die Türkei spielte dabei eine Rolle: Als Garantiemacht verlangte sie eine Einbindung der wirtschaftlich isolierten türkischen Zyprioten.
Akinci jedoch, kaum im Amt, ließ Ankara ausrichten, dass die Beziehung des Festlandes zur Insel nun mehr auf Brüderlichkeit als Bevormundung beruhen sollte. Was für eine Zurechtweisung aus der Türkei sorgte, wurde im Süden Zyperns nur allzu gern vernommen.