Wifo-Ökonom Hans Pitlik beurteilt das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen skeptisch: 8 Jahre Zeit, wenig Reform.
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Wien. Ist den Verhandlern des neuen Finanzausgleichs, der von 2017 bis 2021 gelten soll, der "Einstieg in den Umstieg", wie es Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) formuliert hat, gelungen? Ökonom Hans Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) analysiert für die "Wiener Zeitung" das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen und kommt zu dem Schluss, dass keine große Reform vorliegt.
"Wenn, dann ist es ein extrem vorsichtiger Einstieg in einen extrem kleinen Umstieg", sagt Pitlik. Immerhin haben sich die Gebietskörperschaften seit 2008 für eine größere Reform des Finanzausgleichs Zeit gegeben. In den acht Jahren seither sei aber nicht sehr viel passiert, eine echte Reform daher auch verpasst worden - wieder einmal.
Kein Umstieg
Pitlik zweifelt auch daran, ob das Finanzausgleichskonvolut tatsächlich ein Einstieg in den Umstieg ist, sieht aber zwei positive Aspekte: die beabsichtigte Aufgabenorientierung bei der Kinderbetreuung und Ansätze für einen Steuerwettbewerb beim Wohnbauförderungsbeitrag. Der Wohnbauförderungsbeitrag wäre eine Möglichkeit in die Steuerautonomie einzusteigen, "aber wenn man nun hört, dass sich die Länder auf einen einheitlichen Satz festlegen wollen, dann hat das mit Steuerhoheit nichts mehr zu tun", sagt der Föderalismusexperte.
Keine Kompetenzbereinigung
Der erste Schritt eines neuen Finanzausgleichs hätte eine Kompetenzbereinigung sein müssen. "Wie kann man Aufgaben entflechten?" Das gelte vor allem für die drei großen Themengebiete Bildung, Gesundheit, Soziales. Daraus folgend hätte eine massive Transferentflechtung entstehen sollen. Es gibt ja, je nachdem wie man zählt, mehrere tausend Finanzströme im Zuge des Finanzausgleichs, weshalb dieser als undurchschaubar gilt. Eine Bereinigung dieser ist nicht erfolgt.
Im Schulbereich wurde nun ein erster Schritt gesetzt, indem die Mittel aus der Einmalzahlung der Bankenabgabe für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung direkt an die Gemeinden - und nicht über die Länder - vergeben werden sollen. Das sei positiv, sagt Pitlik dazu. Aber insgesamt könne er noch kein vollständiges Urteil zum nun abgeschlossenen Finanzausgleich ablegen, da noch nicht alle Details vorlägen.
Was den ausverhandelten Kostendämpfungspfad im Gesundheitsbereich betrifft - derzeit liegt der Steigerungsdeckel für Gesundheitsausgaben bei 3,6 Prozent pro Jahr, dieser soll bis 2021 auf 3,2 Prozent zurückgefahren werden -, führte Pitlik ins Treffen, dass Kostendämpfungspfade bei so geringen Inflationsraten wie wir sie derzeit hätten, eher leicht einzuhalten seien. Natürlich sei zu berücksichtigen, dass die medizinische Entwicklung zu immer steigenden Ausgaben führe, daher ein Kostendämpfungspfad grundsätzlich positiv sei. Allerdings, so der sehr kritische Nachsatz: "Es fehlen Angaben über die dafür notwendigen Maßnahmen."
Keine Steuerautonomie
Ein weiteres wichtiges Element eines modernen Finanzausgleichs wäre eine Steuerautonomie der Länder. Diese war ursprünglich von einigen Landeshauptmännern - zum Beispiel von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) - sogar eingefordert worden. Mit zunehmender Verhandlungsdauer ist dieser Aspekt aber immer mehr in den Hintergrund gerückt. Es gibt einen einzigen Aspekt, nämlich, dass die Länder künftig den Wohnbauförderungsbeitrag, den derzeit der Bund einhebt und wieder an die Länder und Gemeinden verteilt, selbst einbehalten können. Ersten Informationen zufolge wollen sich die Länder aber auf einen einheitlichen Steuersatz einigen, sodass der Wettbewerbsgedanke entfällt. "Es deutet alles darauf hin, dass die Länder gar keine Steuerautonomie wollen", sagt Pitlik.
Was könnte eine Steuerautonomie bringen? "Das erhöht den Druck auf die Landesbürokratien, effizienter mit Steuereinnahmen umzugehen", sagt der Wirtschaftswissenschafter. Wenn Länder bestimmte Projekte finanzieren wollen, müssten sie das ihrer Bevölkerung erklären und Steuererhöhungen durchsetzen. Umgekehrt, so der Ökonom, könnten Länder mit einer effizienten Verwaltung der Bevölkerung über Steuersenkungen Geld zurückgeben.
Als positives Beispiel für einen bundesinternen Wettbewerb führt Pitlik die Schweiz an. Aber auch Dänemark und Schweden seien Beispiele. Grundsätzlich gelte: "Wenn Bundesländer oder Gemeinden über eigene Steuern verfügen und Steuersätze verändern können, dann hebt das die Effizienz." Das führe dann zu einem Steuerwettbewerb, was Sinn der Sache sei. Besonders gut für einen Steuerwettbewerb würden sich Zu- und Abschläge bei der Lohn- und Einkommensteuer eignen, sagt Pitlik. Manche könnten sich auch die Körperschaftssteuer vorstellen, davon rate das Wifo allerdings ab. Aber auch die Mehrwertsteuer sei für einen Steuerwettbewerb nicht geeignet. Er wäre dafür, dass die Länder künftig einen Zu- oder Abschlag bei der Lohn- und Einkommensteuer selbst bestimmen - dieser würde den Ertragsanteil des Bundes ersetzen. In der Schweiz liege die kantonale Steuerbelastung bei der Lohnsteuer zwischen sechs und 18 Prozent. Aber eine so große Spreizung müsse man nicht zulassen, das könnte der Bund regeln, erklärt der Ökonom.
Transferverflechtungen bleiben
In dem Moment, in dem man eine Kompetenzbereinigung habe und Steuerautonomie einführe, ergebe sich automatisch eine Bereinigung der Transferverflechtungen. Die zahlreichen Transferströme seien Ausdruck der extrem komplizierten Aufgabenverteilung, sagt Pitlik. Je stärker die Aufgabenorientierung, umso eher könne man auf Allgemeinschlüssel - etwa den abgestuften Bevölkerungsschlüssel - verzichten.