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Ein Falke in der Nukleardiplomatie, der den Kalten Krieg beenden half

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Der US-Abrüstungsexperte Paul Henry Nitze, der über fast ein halbes Jahrhundert acht amerikanische Präsidenten beraten hat, ist Dienstag im Alter von 97 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.


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Der am 16. Jänner 1907 in Amherst/Massachusetts als Sohn eines Romanistikprofessors geborene Nitze, der durch eigene Geschäftstüchtigkeit und die Ehe mit der Standard-Oil-Erbin Phyllis Pratt schon früh zu erheblichem Wohlstand gekommen war, arbeitete im Zweiten Weltkrieg für das Amt für wirtschaftliche Kriegsführung, trat 1946 in den Dienst des Außenministeriums, wo er an der Durchführung des Marshallplanes beteiligt war und gilt als Autor der 1950 von Nationalen Sicherheitsrat festgelegten US-Strategie für den Kalten Krieg. In seinen 1989 veröffentlichte Memoiren "Von Hiroshima zu Glasnost" schrieb er, dass er Präsident Kennedy während der Berlin-Krise im Jahr 1961 geraten habe, den Einsatz von Nuklearwaffen zu überlegen. Nitze, der als Förderer des amerikanischen H-Bombenkonzepts galt und 1974 unter Präsident Richard Nixon wegen der SALT-Verhandlungen zur Begrenzung der strategischen Rüstung von seinem Amt als Chefunterhändler zurücktrat und später gegen die Waffenkontrollpolitik der Regierung Carter Lobbyismus betrieb, kehrte unter Präsident Reagan als Diplomat zurück und führte 1982 in Genf mit den Sowjets Abrüstungsverhandlungen, die aber sowohl an den Hardlinern in den USA als auch in Moskau scheiterten. Einen Durchbruch erreichte er erst 1986 bei den Verhandlungen während des Gipfels von Reykjavik, als Gorbatschow und Reagan das Ende des Kalten Krieges einläuteten. Der frühere US-Außenminister George Shultz nannte Nitze in seinen 1993 erschienenen Erinnerungen "die wandelnde Geschichte des Kalten Krieges", weil er in beinahe alle größeren Entscheidungen dieser Zeit eingebunden war.

1989 zog sich der Demokrat Paul Nitze, der 1985 vom republikanischen Präsidenten Ronald Reagan mit Medal of Freedom, dem höchsten zivilen Orden der USA ausgezeichnet worden war, aus der Politik zurück. Im April dieses Jahres wurde ein neuer Zerstörer der US-Marine nach ihm benannt, eine Ehre die vor ihm erst sieben noch lebenden Personen zuteil geworden war.