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Ein Fall für den EU-Anwalt

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Österreich unterstützt Brüsseler Pläne - und fordert europäische Kontrolle.


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Brüssel. Das Parlament hat keine Einwände. Zumindest hat der Nationalrat in Wien sich nicht geäußert, bevor die Frist für eine Stellungnahme zur Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft abgelaufen ist. Es ist nicht das einzige nationale Abgeordnetenhaus, das die Pläne der EU-Kommission zunächst nicht bewertet hat. Lediglich ein knappes Dutzend Parlamente haben ihre Meinung und Bedenken formuliert, wobei positive Kommentare aus Deutschland, Polen, Portugal und Rumänien kamen.

Dennoch ist offen, ob die Brüsseler Behörde ihre Vorschläge wie gewünscht bis 2015 realisieren wird können. Geht es nach ihren Vorstellungen, wird zu diesem Zeitpunkt eine EU-Staatsanwaltschaft ihren Kampf gegen den Betrug mit Steuergeldern aufnehmen. Damit sollen vor allem Unionsmittel geschützt werden. Immerhin entgehen dem gemeinsamen Haushalt durch Betrug im Budget an die 500 Millionen Euro jährlich, gibt die Kommission an. Allerdings gibt es auch Schätzungen, die weit darüber hinaus gehen: Demnach gehen die Verluste in Milliardenhöhe.

Mit solchen Vergehen befasst sich bis jetzt das europäische Amt für Betrugsbekämpfung, Olaf. Doch hat es begrenzte Möglichkeiten. So darf es selbst keine strafrechtlichen Untersuchungen durchführen. Das gilt übrigens auch für die Arbeit von Eurojust, eine Einheit, die die justizielle Zusammenarbeit in der EU bei der Bekämpfung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität verbessern soll. Umgekehrt gehen die Zuständigkeiten der nationalen Behörden nicht über die eigenen Grenzen hinaus. Das neue EU-Organ soll daher die Schnittstelle bilden - dezentral strukturiert und in die nationalen Rechtssysteme eingebunden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Kriminelle allein deshalb ungeschoren davonkommen, weil die richtigen Instrumente fehlen, um sie vor Gericht zu stellen, erklärte Justizkommissarin Viviane Reding, als sie gemeinsam mit Steuerkommissar Algirdas Semeta vor wenigen Wochen die Initiative vorstellte.

Nicht alle Staaten beteiligt

Der europäische Staatsanwalt soll daher nicht nur vier von den Mitgliedstaaten ernannte Stellvertreter zur Seite gestellt bekommen, sondern es soll auch in jedem Land einen zuständigen Funktionär geben. Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen sollen gemeinsam durchgeführt werden, wobei das nationale Recht zur Anwendung kommt.

In drei Ländern wird das allerdings auch in Zukunft nicht passieren: Großbritannien, Irland und Dänemark haben Ausnahmeregelungen, die die europäische Zusammenarbeit im Justizbereich einschränken. Sie werden sich daher auch nicht am Aufbau der EU-Staatsanwaltschaft beteiligen. Für dessen Einrichtung hat sich auf der anderen Seite bereits das EU-Parlament ausgesprochen.

Die Kommission hofft jedenfalls, dass sich genug willige Länder finden, um die Initiative voranzutreiben. Sie braucht dafür mindestens neun Staaten, die vorangehen - wie etwa bei den Plänen zur Schaffung einer Steuer auf Finanztransaktionen.

Unterstützung könnte dabei auch aus Österreich kommen: Wien stehe dem Vorhaben zur Etablierung einer europäischen Staatsanwaltschaft grundsätzlich positiv gegenüber, heißt es aus dem Justizministerium. Für den Aufbau solch einer Behörde wären auch keine Änderungen der EU-Verträge nötig. Doch könnte zunächst überprüft werden, wie die Effizienz von Eurojust verbessert werden könnte - immerhin sollten Doppelstrukturen vermieden werden. Österreich wäre unter Umständen zu etwas bereit, das etliche Länder ablehnen: nationale Kompetenzen abzugeben. Dafür müsste aber die EU-Staatsanwaltschaft durch eine europäische Verfahrensordnung gestärkt werden - und einer europäischen Kontrolle unterliegen.