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Mario Draghi soll Italien durch die tiefe Krise führen.
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Man mag Italiens Regierungskrisen für italianità, halten, für einen Teil der italienischen Lebensart, die mit Premierministern (eine Premierministerin gab es in der Geschichte Italiens noch nie) ähnlich verschwenderisch umgeht wie mit Olivenöl in der italienischen Küche. Der frühere EZB-Chef Mario Draghi ist Premierminister Numero 30 seit Ende des 2. Weltkriegs (Österreich: 18, Deutschland: neun).
Eigentlich, so möchte man meinen, hätte die politische Klasse in Rom jetzt alle Hände voll zu tun - stattdessen schlitterte das Land in eine Regierungskrise: Italien wurde von der Covid-19-Krise besonders schwer getroffen. Während aber andere EU-Länder darauf hoffen können, dass der von Covid-19 ausgelöste Wirtschaftsabsturz zyklisch ist, muss Rom fürchten, dass die Krise strukturell ist.
Italien war schon vor Covid eine Nation mit dysfunktionaler Bürokratie, schlechtem Bildungssystem und ineffizienter Justiz, ein Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, in dem die Mafia bis heute nicht besiegt ist.
Italiens Partner in Europa sind tief besorgt: Denn die 750 Milliarden Euro aus dem gemeinsamen EU-Pandemiefonds, die Italien erhalten wird, sind vielleicht die letzte Chance für das Land. Der Regierungsbildungsauftrag von Präsident Sergio Mattarella an Draghi - dem die Presse nach seiner Rettung des Euro im Jahr 2012 den Spitznamen "Supermario" verliehen hatte - wird die Staats- und Regierungschefs in Europa nun beruhigen. Denn "Supermario" hat sich in drei Jahrzehnten als italienischer Notenbankchef und als Chef der EZB in Krisen bewährt.
Leicht wird es nicht: Cinque Stelle - die populistische Fünf-Sterne-Bewegung - hat angekündigt, Draghi die Unterstützung zu versagen, und so wird er auch auf Matteo Salvinis rechtspopulistische Lega angewiesen sein - und Salvini ist alles andere als ein verlässlicher Partner. Die nächsten Wahlen sind 2023, zumindest kurz davor wird Salvini wohl ausscheren.
Die Stimmung im Land ist schlecht. Das italienische Publikum gruselt sich seit Jahren voller Angstlust an einem düsteren Niedergangsnarrativ. So schrieb der Journalist Mario Giordano aus dem Stall von Silvio Berlusconis Konzern Mediaset in seinem 2019 erschienen Buch "Italien ist nicht mehr italienisch" über italienische Konzerne, die ehemals Weltgeltung hatten, wie Benetton oder Olivetti, oder von solchen, die ans Ausland verkauft wurden, wie Fiat, Pirelli oder Versace. Der Befund Giordanos ist nicht falsch: Die Ironie ist freilich, dass all die Regierungsjahre von Silvio Berlusconi verlorene Jahre für Italien waren. Nun müssen auf den Befund Taten folgen.
Mario Draghi hat die Statur, sich der Krise entgegenzustemmen. Aber er braucht die Unterstützung der Italiener.