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Die Stadt Wien selbst macht keine Derivat- oder Absicherungsgeschäfte.
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Wien. Mit Schulden werden Geschäfte gemacht. Um zu große Risiken - bei Krediten oder an der Börse - zu meiden, schließt man ein Absicherungsgeschäft ab, eine Art Versicherung. Mit diesem Geschäft werden wieder Geschäfte gemacht, und damit dann wieder, und so weiter. Die Wege sind kaum nachvollziehbar, wenn Geld mit Geld gemacht wird.
"Das gibt es bei uns nicht", erklärte Finanzstadträtin Renate Brauner am Dienstag, als sie gemeinsam mit Bürgermeister Michael Häupl das neue Spekulationsverbot der Stadt Wien präsentierte. Dieses hat die Landesregierung auch am Dienstag beschlossen. Nicht, weil in Wien mit öffentlichen Geldern spekuliert worden wäre, hieß es, sondern als "Signal an die Bevölkerung". "Wir nehmen die öffentliche Meinung zur Kenntnis, dass vermeidbare Risiken nicht eingegangen werden sollen", sagte Brauner, die den Gesetzesentwurf "über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung" vorlegte.
Darin enthalten sind angeführte Mindeststandards als Grundsätze; so sollen etwa keine Fremdwährungsrisiken offen bleiben; es soll weder Kreditaufnahmen zur mittel- und langfristigen Veranlagung geben noch einen Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten ohne entsprechendes Grundgeschäft. Für die Stadt Wien heißt das vor allem: keine neuen Fremdwährungskredite - auch wenn diese laut Brauner langfristig einen wirtschaftlichen Vorteil gebracht haben. Die Zinsvorteile seien bisher durchaus genutzt worden. Derzeit laufen 36 Prozent der städtischen Darlehen in Schweizer Franken. Seit 2011 wird von einer Neuverschuldung in dieser Währung abgesehen
Bis Ende des Jahres soll nun aufgrund der Standards ein Abbau-Plan bis 2016 erstellt werden - unter genauer Beobachtung des Marktes. "Wir werden nur aus den Fremdwährungskrediten aussteigen, wenn es wirtschaftlich sinnvoll erscheint", erklärte Brauner. Andernfalls werde man über 2016 hinaus verlängern, denn "wir werden das Steuergeld nicht aus dem Fenster schmeißen". Allerdings sei zu bedenken: "Wer Risiken zu 150 Prozent ausschließt, ist ein Scharlatan."
Länder-Vereinbarung
Ist es gut gegangen, nennt man es Geschäft, läuft es schief, heißt es üble Spekulation. Das Salzburger Finanz-Debakel hat lange Diskussionen entfacht und die Länder schließlich dazu bewogen, in einer Sitzung der Finanzlandesräte eine sogenannte 15a-Vereinbarung zu treffen. Der Inhalt in Kürze: Vermeidbare Risiken sollen bei der Finanzgebarung nicht eingegangen werden.
Die Stadt Wien fordert eine verfassungsmäßige Verankerung auf Bundesebene. Solange es die noch nicht gebe - derzeit wird diskutiert -, werden die Länder "eigenständig Spekulationsverbote beschließen". Es klinge banal, sei aber wichtig, denn die öffentliche Hand hat, was die Steuergelder betrifft eine besondere moralische Verantwortung, so Brauner.
Gibt es Sanktionen, wenn dennoch spekuliert wird? Nur, wenn das Spekulationsverbot zum Verfassungsgesetz wird, so Brauner. Eine 15a-Vereinbarung kann keine Sanktionen festlegen und auch die Gemeinden nicht mit einbeziehen. Auch etwa für die Wien Holding oder Wien Energie gilt das Verbot nicht, weil sie als privatwirtschaftlich gelten. Gültig werden die Regeln aber für städtische Unternehmen, die von der Stadt Zuschüsse erhalten, wie der Krankenanstaltenverbund, der Fonds Soziales Wien, das Wien Museum oder auch die Vereinigten Bühnen Wien.
Nach menschlichem Ermessen ist laut Brauner ein Finanzdebakel à la Salzburg in Wien nicht möglich. Dafür gebe es zu viele Augen und ein Kontrollamt, so die Vizebürgermeisterin.
Dennoch: Die Stadt hat vier Milliarden Euro Schulden. Das sind laut Rechnungsabschluss, der im Juni präsentiert wird, 5,3 Prozent des Bruttoregionalprodukts - "absolut vertretbar", so Brauner. Zum Vergleich: Der Bund hat eine Schuldenquote von 73,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Laut Maastricht-Kriterien sollte die Schuldenquote nicht über 60 Prozent liegen.
Bis zum Jahr 2016 will die Wiener Stadtregierung keine neuen Schulden mehr aufnehmen. "Jedes Jahr muss die Neuverschuldung weniger werden", sagte Brauner. Allerdings müsse es immer Geld für Notfälle, wie etwa Wirtschaftskrisen oder den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit geben.
Das Regelwerk soll im Herbst den Landtag passieren und wird frühestens mit 1. Oktober in Kraft treten. "Wir wollen flexibel bleiben, damit wir das Gesetz im Laufe des Prozesses noch anpassen können." Denn laut Brauner gibt es noch die theoretische Möglichkeit, dass es auf Bundesebene zu einer Regelung kommt und die Opposition dem Gesetz, das Spekulationsverbot in den Verfassungsrang zu heben, doch noch zustimmt.