Wegen Atomkraft erneuerbare Energie im Hintertreffen. | Energieautarkes Österreich als Ziel. | Wien. Nicht nur dass die deutsche Bundesregierung die Laufzeit für Kernkraftwerke verlängert, auch wie es zu diesem Beschluss kam, sorgt für Empörung - selbst in den eigenen Reihen. So hat am Mittwoch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU, Porträt Seite 12) scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung geübt. Dass der Beschluss aufgrund einer Vereinbarung mit den Energiekonzernen und nicht über eine gesetzliche Regelung zustande kam, stehe nicht im Einklang mit den demokratischen Gepflogenheiten.
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Dieser Kritik schlossen sich am Donnerstag auch die österreichischen Grünen an. Die Laufzeitverlängerung sei verfassungswidrig, kritisierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig und forderte die Bundesregierung auf, Protest einzulegen. Umweltminister Nikolaus Berlakovich nimmt dazu Stellung.
"Wiener Zeitung": Deutschland verlängert die AKW-Laufzeiten. Was bedeutet das für Österreich? Nikolaus Berlakovich: Es wirkt sich insofern auf Österreich aus, als wir in unserem Kampf für die erneuerbaren Energien einen starken Partner verlieren. Diese Laufzeitverlängerung ist ein fatales Signal und meiner Meinung nach eine falsche Entscheidung, weil auf Atomkraft gesetzt wird - und das ist keine Zukunftstechnologie.
Es wird damit argumentiert, dass es eine klimafreundliche Überbrückungstechnologie sei, bis alternative Energien ausgereift sind.
Atomkraft wird nicht einmal in internationalen Klimaschutzverhandlungen als Technologie anerkannt, die dem Klimaschutz dient. Sie lässt mehr Fragen offen, als sie Antworten gibt. Auf der ganzen Welt gibt es kein einziges Endlager für atomaren Restmüll. Da werden die Probleme den kommenden Generationen überlassen. Es wird quasi über die atomare Hintertüre Klimaschutz betrieben.
Was bedeutet die Laufzeitverlängerung für die erneuerbare Energie?
Die gerät ins Hintertreffen, weil der Atomstrom einfach günstiger ist und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energie hintangestellt wird.
Wo sehen Sie durch die Laufzeitverlängerung konkrete Bedrohungen für Österreich?
Das Kraftwerk Isar I - 60 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt - entspricht zum Beispiel nicht den Sicherheitsstandards. Wenn etwas passiert, ist das auch für Österreich eine Bedrohung. Isar I liegt außerdem in der Einflugschneise des Flughafens München. Bei einem Flugzeugabsturz ist nicht sichergestellt, dass nichts passiert.
Man hat den Eindruck, dass den Deutschen gegenüber viel sanfter vorgegangen wird als gegenüber Tschechien oder der Slowakei.
Wir sind den Deutschen gegenüber nicht weniger engagiert als gegenüber Tschechien oder der Slowakei. Wir haben mit allen drei Ländern bilaterale Nuklearinformationsabkommen und erwarten, transparent und offen informiert zu werden, egal was auch passiert. Wir werden jetzt im Rahmen dieses Abkommens eine Sondersitzung verlangen, wo wir erwarten, dass uns Deutschland mitteilt, wie dieser Beschluss im Detail aussieht.
Man sieht weltweit eine Renaissance der Kernkraft. Wo sehen Sie Verbündete für Österreich?
Österreich steht nicht alleine da. Was ich suche, sind Mitstreiter im Bereich der erneuerbaren Energie. Ich will, dass Österreich und Europa da die Nase vorne haben. Ich schreibe den Staaten nicht vor, welche Energieform sie wählen müssen, aber wir wollen selbst frei von Atomkraft sein. In Österreich ist das eine grundsätzliche Position, nicht auf Atomkraft zu setzen. Wir beweisen, dass man mit erneuerbarer Energie seine Energieversorgung decken kann.
Ist das nicht scheinheilig? Österreich importiert schließlich auch Atomenergie.
Je nach Berechnungsmethode sind zwei bis fünf Prozent Atomstrom in Österreich. Auch das will ich durch erneuerbare Energie verdrängen. Ich will ein energieautarkes Österreich, wo wir sämtliche Energie im eigenen Land erzeugen. Wir haben derzeit 28,8 Prozent erneuerbare Energie, in 10 Jahren sollen es 34 Prozent sein.
Da blieben immer noch 66 Prozent nicht erneuerbare Energie - Kohle, Gas und Öl.
Das gilt es auch zu reduzieren, um früher den Ausstieg aus der fossilen Energie zu schaffen. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat die Konsequenzen gezeigt. Die Erdölgesellschaften müssen immer tiefer und risikoreicher bohren, um den Hunger nach Energie zu stillen. Das kann auch nicht die Antwort für die Zukunft sein.
Was wird gegen den steigenden Energiebedarf getan?
Wir haben eine Energiestrategie für Österreich entwickelt, um den jährlich steigenden Energieverbrauch zu bremsen und in zehn Jahren auf dem selben Energieverbrauchsniveau zu sein wie heute.
Wie soll das gelingen?
Zum Beispiel durch thermische Sanierung - dort ist viel an Wärmeenergie zu holen, in manchen Fällen sogar bis zu 80 Prozent -, durch neue Bürogebäude mit Green Building Standard - die verbrauchen nur noch 15 Prozent des Stroms herkömmlicher Bürogebäude - oder durch Energiesparlampen. Das betrifft alle Bereiche.
Der frühere burgenländische Agrar- und Umwelt-Landesrat Nikolaus Berlakovich (49, ÖVP) ist seit Dezember 2008 Landwirtschafts- und Umweltminister.