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ÖVP-Granden entscheiden über Pröll-Nachfolge. | Bauernbund droht Machtverlust unter neuer Führung. | Wien. Außenminister Michael Spindelegger gegen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, also Niederösterreich gegen Oberösterreich oder Arbeitnehmerbund gegen Wirtschaftsflügel, aber auch Mann gegen Mann. | Was wird aus wem in der Volkspartei?
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Auf dieses eigentlich recht simple, nach den innerparteilichen Gesetzen der Volkspartei jedoch höchst komplexe Duell wird wohl die Entscheidung um den nächsten ÖVP-Obmann hinauslaufen. Der einzigen Frau in der Riege der potenziellen Nachfolgekandidaten für Josef Pröll, Innenministerin Maria Fekter, wie Mitterlehner ebenfalls Oberösterreicherin und Wirtschaftsbündlerin, werden allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt.
Egal, wer im Bundesparteivorstand am Donnerstagvormittag zum neuen Obmann gekürt werden wird, die Machtgewichte innerhalb der Volkspartei werden neu austariert werden müssen. Unter Josef Pröll hatte es mitunter den Anschein, der Bauernbund gebe den Ton in der Partei an. Der Bauernbündler vereinte nicht nur Obmannschaft, Vizekanzler und Finanzminister in seiner Hand, mit Fritz Kaltenegger führte ein weiterer Agrarier auch die Parteizentrale, und zahlreiche weitere saßen an zentralen Schalthebeln im Hintergrund.
Pühringer und Leitl für Mitterlehner
Spindelegger startete als Favorit, steht der 52-jährige Jurist doch seit 2009 mit dem ÖAAB der mitgliederstärksten Teilorganisation der Volkspartei vor und kann wohl auf die Unterstützung der mächtigen niederösterreichischen Landespartei setzen. Allgemein erwartet wurde, dass die Entscheidung über den künftigen Obmann bereits am Mittwochabend in streng vertraulichen Gesprächen zwischen den Landes- und Bündeobleuten gefällt wurde. Unter den Granden der Partei bestand Konsens, dass eine Kampfabstimmung in der Vorstandssitzung am Donnerstag auf jeden Fall vermieden werden soll. Als Fürsprecher des 55-jährigen oberösterreichischen Juristen Mitterlehner gelten insbesondere seine beiden Landsleute Landeshauptmann Josef Pühringer und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Vor seinem Aufstieg zum Minister werkte Mitterlehner als rechte Hand Leitls in der Wirtschaftskammer.
Sollte Spindelegger tatsächlich das Rennen machen, gilt als wahrscheinlich, dass er Außenminister bleibt und zusätzlich zur Parteiführung auch das Vizekanzleramt übernimmt. Mitterlehner gilt für diesen Fall als Favorit für die Nachfolge Prölls im mächtigen Finanzministerium, womit das Wirtschaftsministerium vakant werden würde. Keine gesteigerte Sehnsucht besteht in der zuletzt arg krisengeschüttelten Partei jedenfalls danach, das Modell Prölls - also Finanzen, Vize und ÖVP-Chef in einer Hand - noch einmal zu wiederholen. Die zeitliche und fachliche Belastung habe sich schlicht als zu groß erwiesen, heißt es nun.
Erwartet wurde, dass am Donnerstag lediglich eine Entscheidung über den Vorsitz getroffen wird, sämtliche daran anschließenden Personalrochaden sollen über die Karwoche vorbereitet und nach Ostern dann präsentiert werden. Dem neuen starken Mann der Volkspartei soll die Möglichkeit gegeben werden, sich sein Team selbst zusammenzustellen - zumindest so weit das in einer Partei wie der ÖVP, wo Bünde- und Länderinteressen unter einen Hut gebracht werden müssen, eben geht. Dann wird auch klar sein, ob der Neue einen großen Befreiungsschlag wagt und das schwarze Regierungsteam sowie die Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse von Grund auf erneuert oder nur die unmittelbar notwendigen Rochaden bewerkstelligt werden.
Spindelegger und Mitterlehner eint ihr beharrlicher Wille zum karrieretechnischen Aufstieg. Beide kennen, wenngleich aus unterschiedlichen Perspektiven, das bündisch strukturierte Innenleben der Partei in- und auswendig, beide eint ein gewisser Hang zum sachlichen Pragmatismus und umgänglichen Gesprächston.
Viele Gemeinsamkeiten, einige Unterschiede
Gesellschafts- und wirtschaftspolitisch gilt der Wirtschaftsbündler Mitterlehner als deutlich liberaler, aus Sicht einer verbindlichen Parteilinie allerdings auch als deutlich unberechenbarer. Spindelegger zählt demgegenüber eher zum konservativen Lager mit - getreu seiner bündischen Herkunft - ausgeprägtem sozialen Gewissen. Als Obmann des ÖAAB versuchte er verkrustete Strukturen und Positionen, etwa in Form eines neuen Bildungsprogramms, zu modernisieren und in der Volkspartei Arbeitnehmerthemen wieder mehrheitsfähig zu machen.
Ob der neue Obmann zwingend auch Spitzenkandidat bei den nächsten, spätestens 2013 anstehenden Nationalratswahlen sein wird, ist offen - zumindest Oberösterreichs Josef Pühringer plädiert vehement dafür, beide Rollen in einer Hand zu behalten.
Ob bei den Überlegungen der Parteivorderen zur Pröll-Nachfolge bereits die Spitzenkandidatur im Mittelpunkt steht, ist fraglich. Für den Moment geht es der ÖVP wohl vorrangig darum, aus dem aktuellen, äußerst hartnäckigen Tief wieder herauszukommen, die Partei inhaltlich wie personell neu aufzustellen. Gut möglich, dass dabei für den Moment Seriosität vor Wähler-Attraktivität rangiert. Mitterlehner wird innerparteilich die größere Zugkraft an der Urne zugetraut, Spindelegger eher die Konsolidierung der Partei. Mitterlehner würde zweifellos das wirtschaftliche Profil wieder stärken, Spindelegger wäre ein Signal für die Arbeitnehmer, die der ÖVP zuletzt in Scharen den Rücken gekehrt haben. So oder so ist ein radikaler Neustart der Volkspartei unwahrscheinlich - zu sehr sind beide Bewerber um das Spitzenamt Teil dieser Partei.
Europa-Euphorie ambivalent für ÖVP
Durchaus ambivalent wird von Beobachtern Spindeleggers Positionierung als begeisterter Europapolitiker bewertet. Einerseits passt das fast bedingungslose Ja des Außenministers und kurzzeitigen EU-Mandatars zur Europäischen Union perfekt zum stilisierten Selbstbild der ÖVP als einziger Europapartei. Andererseits zeigen Umfragen und Analysen, dass vielen Wählern - auch aus den Reihen der ÖVP - das bedingungslose Ja zu allem, was aus Brüssel kommt, mitunter doch etwas zu weit geht.
Porträt Stephan Koren