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Seit dem Ende der Apartheid gibt es in Südafrika einen "National Women's Day", einen nationalen Feiertag, der den Frauen gewidmet ist. An diesem Tag wird dem Kampf und den Errungenschaften der weiblichen Bevölkerung gedacht. 1956 marschierten 20.000 von ihnen zu den Amtsräumen des damaligen Premierministers JG Strijdom, um gegen die Passgesetze zu demonstrieren. Heute müssen viele Frauen an der Südspitze Afrikas mit Armut, Gewalt und Aids kämpfen.
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"Heute, am 9. August, feiern wir das, was die Frauen von Südafrika erreicht haben, und wir sind zusammen gekommen, um den Kampf der Frauen für "empowerment" und Gleichberechtigung voranzutreiben", eröffnete der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki letzte Woche seine Rede anlässlich des "National Women's Day".
"Empowerment" ist zur Zeit eines der wichtigsten Schlagworte in Südafrika und seit dem Frauengipfel von Peking vor sechs Jahren auch in vielen anderen Ländern. Der Begriff umfasst alle Schritte, die die Frauen für eine völlige Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit benötigen. So etwa mehr Mitspracherecht, bessere Ausbildung, eine Lösung gegen Sexismus, einen Weg aus der Armutsfalle, gleiche Chancen, Verhinderung der Gewalt an Frauen, etc.
Die Verfassung des "neuen" Südafrika aus dem Jahr 1996 betont die Respektierung und Einhaltung der Rechte aller Bürger egal welcher Hautfarbe, Religion, Ethnie oder welchen Geschlechts. Um diese Gleichheit zu schaffen wurde vom Parlament Ende letzen Jahres Gesetze zum "Empowerment" und der Gleichberechtigung der Frauen - vor allem der schwarzen Frauen - ratifiziert. Schon 1996 war eine Kommission für Frauenfragen geschaffen worden. Diese soll die Frauenpolitik des Staates aber auch von private Firmen evaluieren und jährlich einen Bericht verfassen. "Wir haben Programme gestartet, die uns helfen unserem Ziel allem Leiden und den Schwierigkeiten jeder Frau in Südafrika ein Ende zu bereiten, näher bringen", so Mbeki.
Ein Tag zum Feiern, Singen und Tanzen auf den Straßen
Auch in Österreich wurde der 9. August, der in Südafrika ein nationaler Feiertag ist, gefeiert. Der Tenor der Veranstaltung, zu der der Botschafter vom Kap der Guten Hoffnung, Alfred Tokollo Moleah, in Wien geladen hatte, war Freude über die Erfolge und Nachdenklichkeit über das, was noch erreicht werden muss.
Botschafter Moleah betonte die Rolle der Frauen im Kampf für ein freies Südafrika. Heute sei Südafrika im Spitzenfeld was die Zahl der Frauen im Parlament, im Kabinett und in anderen politisch einflussreichen Positionen anbelange. "Wir müssen die Fähigkeiten der Frauen erkennen und ihnen die ihnen zustehende Rolle in der Neuordnung der Gesellschaft geben."
Auch der geladenen Gastrednerin, Susan Nkomo aus dem Mitarbeiterstab von Präsident Mbeki, war zum Feiern zu Mute. Sie teilt nicht die Ansicht einer Journalistin, dass solche Feiern hinausgeschmissenes Geld seien. Man habe in den letzten Jahren viel erreicht und obwohl noch viel zu tun bleibe sei es jetzt an der Zeit zu tanzen und sich zu freuen. Genau das haben Hunderte Frauen letzten Donnerstag in Kapstadt und in anderen Teilen Südafrikas gemacht.
Seit 1994 konnten mehr Häuser für Bedürftige geschaffen werden, mehr Haushalte wurden mit einem Wasseranschluss ausgestattet, was eine enorme Erleichterung für die Frauen bedeutet, und die medizinische Versorgung konnte verbessert werden, betonte auch Mbeki in seiner Rede. Er schloss: "Lasst uns nach den Idealen der Frauen handeln, die 1956 marschiert sind, so dass wir am Ende unser Ziel einer Demokratie erreichen, die nicht auf die Hautfarbe oder das Geschlecht achtet."
Die Wut der Frauen - Der historische Hintergrund
Jedes Jahr am 9. August wird in Südafrika dem Marsch der Frauen auf das Amtsgebäude der Apartheid-Regierung 1956 gedacht. Das Regime hatte ein Jahr zuvor auch für Frauen die Pflicht eingeführt immer und überall einen Pass mitzuführen, der sie, so wie die Männer, denen schon Jahre zuvor diese Pflicht aufoktroyiert worden war, auch an bestimmte Regionen band.
"Es gibt da eine Geschichte, dass der damalige Premierminister Strijdom aus dem Gebäude geflüchtet ist, als er den Marsch der 20.000 Frauen sah", erzählte Nkomo bei ihrem Besuch in Wien.
Fakt ist, dass der Premierminister nicht zu sprechen war, als die Frauen, die aus ganz Südafrika zusammen gekommen waren, ihm eine Petition überreichen wollten. Während sie warteten sangen die Frauen Strijdom noch ein Lied: "Jetzt hast du dich mit den Frauen angelegt und eine Lawine losgetreten. Jetzt wirst du fallen."
Oft würde die historische Bedeutung des Kampfes der Frauen unterschätzt, bedauert Nkomo. "Frauen werden in den Geschichtsbücher oft nicht erwähnt. Im Dezember 1994 wurde im Gesetz über die nationalen Feiertage auch der 9. August als Tag, der von allen Südafrikanern begannen werden soll, festgelegt, als ein Tag zum Feiern aber auch zum Nachdenken.
Strukturelle Nachteile treiben Frauen in die Armut
Die drei Tage vor dem National Women's Day waren in Südafrika einem Frauengipfel gewidmet. Nkomo, die auch daran teilgenommen hatte, berichtete bei den Feiern in Wien über die Erfolge, die man in den letzten Jahren erreicht habe. Sie warnte jedoch auch vor zu viel Übermut. "Wir schaffen derzeit mehr Quantität als Qualität", erläuterte Nkomo. Mehr Häuser und mehr Wasseranschlüsse seien gut, aber es fehle an strukturellen Änderungen. 16 Prozent der Frauen über 15 Jahre sind Analphabeten. "Wir brauchen einen Entwicklungsfond für Frauen."
Südafrika, vor allem der schwarze Teil der Bevölkerung, ist noch immer eine von Männern dominierte Gesellschaft. Frauen sind ihren Ehemännern oft untergeordnet und haben wenig Kontrolle über ihr Leben. "Viele Frauen wissen wenig über ihre Rechte und können sie deshalb nicht einfordern", ist in einem Bericht des Frauengipfels zu lesen. Tradition, Religion und geschichtliche Entwicklungen verhindern oft, dass Frauen selbständig werden können.
So war etwa außer Haus zu arbeiten war lange Zeit Sache der Männer. Auch heute noch müssen Frauen den Löwenanteil der Hausarbeit, der Kindererziehung und der Alten- und Krankenbetreuung tragen, stellte der Politiker Jacob Zuma bei seiner Rede zum National Women's Day fest.
Unter Johannesburg haben einige Frauen bereits einen großen Schritt zur Gleichberechtigung bewältigt: Sie arbeiten in den lukrativen Goldminen. "Vor drei Jahren war das ein reiner Männerjob", erzählt Peter Geleta, Vorarbeiter in der weltweit größten Untertagmine bei Johannesburg. "Heute sind Frauen akzeptiert." Bis es soweit war mussten allerdings viele Vorurteile aus dem Weg geräumt werden.
Girlie Rasekewalo, 30, ist eine der 200 Frauen, die die Firma AngloGold in ihrer Mine beschäftigt. Sie war 1998 sogar eine der Pionierinnen. "Einige der Männer sind nicht glücklich. Sie sagen der Job einer Frau ist die Hausarbeit. Sie beschweren sich, dass die Mine wegen uns zusammen fallen wird und dass nichts mehr richtig läuft seit wir hier sind."
Aber auch auf anderer Ebene gab es Startschwierigkeiten: Als Frauen ins Parlament einziehen wollten, heute sind es knapp 30%, hatten sie keine eigenen Waschräume, Toiletten und dergleichen, erzählt Nkomo. "Es sind oft die kleinen, alltäglichen Dinge, an denen es scheitert.
Neben den ökonomischen und gesellschaftlichen Nachteilen kommt für die südafrikanischen Frauen noch die hohe Ansteckungsgefahr mit dem HI-Virus hinzu. Viele Frauen seien auch noch viel zu wenig über ihren Körper aufgeklärt und können sich nicht gegen ihre Männer durchsetzen. Mbuyiselo Botha, vom Südafrikanischen Männerforum ruft alle Männer den Landes auf die Gewalt an Frauen endlich als Problem der Gesellschaft anzusehen. "Bisher haben die meisten Männer es als 'Problem der Frauen' abgetan. Männer müssen endlich ein Teil der Lösung werden."
Der Rest ist Schweigen - Gewalt ist oft Alltag
Die Frauen als schwächeres Geschlecht zu sehen ist in Südafrika noch immer gang und gäbe. Für viele ist das mit ein Grund warum so viele Vergewaltigungen an der Südspitze Afrikas passieren. Offiziell heißt es, die Zahl der Vergewaltigungen sei seit 1994 nicht mehr gestiegen, die Rate habe sich endlich stabilisiert. Sie tat dies aber auf einem "inakzeptabel hohen Niveau", so Kailash Bhana vom Zentrum für die Untersuchung von Gewalt und Versöhnung (CSVR) in Johannesburg. Mindestens die Hälfte aller Frauen in Südafrika hat schon unter physischer oder sexueller Gewalt gelitten.
"Es ist sehr schwierig die wahren Ausmaße von Vergewaltigungen in Südafrika zu bestimmen", erläutert Bhana im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es sei ein Faktum, dass Frauen, die von Fremden vergewaltigt werden, eher zur Polizei gehen, als solche, die den Täter kennen. In Südafrika ist es jedoch meist so, dass das Opfer mit dem Vergewaltiger bekannt, wenn nicht sogar verwandt ist.
Nachdem Vergewaltigung in der Ehe 1993 als Straftat anerkannt worden war, sei die Statistik in die Höhe geschnellt, so Bhana weiter. Allerdings würde Schätzungen zufolge noch immer erst eine in 20 Vergewaltigungen gemeldet.
"Die Frauen haben Angst, dass sie bei der Polizei oder von Leuten aus der Gemeinde als mitschuldig dargestellt werden", erläutert die Mitarbeiterin des Zentrums. Die Position der Männer in der südafrikanischen Gesellschaft ist ein weiterer Faktor. "Vor allem die schwarzen Männer fühlen sich nach der Apartheid noch immer machtlos und lassen ihren Zorn an den schwarzen Frauen aus", schreibt Mary Robertson ebenfalls vom CSVR, in einem Artikel.
Ein weiterer Faktor in der Vergewaltigungsstatistik ist Aids. Ein alter Glaube, der sich in Südafrika noch findet ist, dass durch Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau der HI-Virus vernichtet werden kann. Die Zahl der Frauen, die nach einer Vergewaltigung HIV-positiv wurden, ist unbekannt.
"Wichtig ist eine Verbesserung der Polizeiarbeit in Vergewaltigungsfällen", betont Bhana. Die Opfer müssen psychologisch betreut werden. Außerdem müsse das Verbrechen strenger verfolgt und geahndet werden.