ÖVP-Bundesparteitag: Konfrontationskurs zum Koalitionspartner SPÖ. | Molterer mit 97,04 Prozent zum neuen Parteichef gewählt. | Salzburg. Aufbruchsstimmung und demonstrative Einigkeit. Das sind die beiden Leitsätze, mit denen die ÖVP - geht es nach dem neuen Bundesparteiobmann Wilhelm Molterer - bis 2010 das Kanzleramt zurückerobern will.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Dementsprechend futuristisch war die Inszenierung auf dem 33. Bundesparteitag der Volkspartei am vergangenen Samstag: Bundesgeschäftsführerin Michaela Mojzis, die den Parteitag organisiert hatte, sorgte für zahlreiche Einlagen - von einer engelsgleichen, blauhaarigen Sängerin im weißen Brautkleid über junge Trommler mit Sonnenbrillen bis hin zu Akrobaten mit nackten Oberkörpern.
Mit brüchiger Stimme
Auch der Veranstaltungsort, eine Halle am Salzburger Flughafen, war mit Bedacht auf die Symbolik gewählt: "Es ist ein Ort, an dem man nach Hause kommt oder von dem aus man verreist", meinte der Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer nicht ohne Anflug von Pathos - "aber wichtig ist das Ziel".
Beim Einzug des scheidenden Parteichefs und Ex-Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel gab es tosenden Applaus und Standing Ovations der rund 600 Delegierten aus allen Bundesländern und Bünden. Ungewohnt brüchig war Schüssels Stimme, als er dann seine Abschiedsrede vor dem Parteitag hielt. Nach immerhin 12 Jahren an der Spitze der Partei sei es nun an der Zeit, "sich in die zweite Reihe zurückzuziehen und seinen Freunden etwas von der Loyalität und Energie zurückzugeben, mit der sie mir so lange zur Seite gestanden sind". Schüssel bleibt ja bekanntlich ÖVP-Klubchef im Parlament.
Von der Rührung nichts mehr zu spüren war, als der Ex-Kanzler über den neuen Koalitionspartner herzog. So empfahl er etwa Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der in der vergangenen Woche von einer "Verlotterung der letzten Regierungen" gesprochen hatte, sich doch "erst einmal die eigenen Balken aus den Augen herausoperieren" zu lassen. Denn im Gegensatz zur SPÖ würde sich der Begriff "Penthouse-Sozialismus" auf die ÖVP nicht anwenden lassen, erklärte Schüssel in Anspielung auf die Causa Bawag - nicht ohne seine Rede mit drohenden Gesten zu unterstützen.
Fitness und Grußformeln
Drohgebärden und Spott in Richtung SPÖ setzte es auch von den Nachfolgern des scheidenden Bundesparteiobmannes am Rednerpult: Etwa bedankte sich der neue Generalsekretär Hannes Missethon bei seinem Vorgänger Reinhold Lopatka, der seit Jänner Sportstaatssekretär ist, mit einem T-Shirt der österreichischen Nationalelf und den Worten "Reinhold, du bist der Fitness-Coach vom Bundeskanzler, da hast du ja jetzt viel Arbeit vor dir".
Und auch Wilhelm Molterer hatte Einiges an Häme für die Sozialdemokraten parat: "Bei uns ist das Wort Freundschaft nicht nur eine leere Grußformel", meinte er, bevor er seine Parteifreunde auf die neue Linie einschwor, die sich ganz an dem Parteitagsmotto "Modern in den Wegen. Fest in den Werten." orientieren soll.
Bei all der Motivationsarbeit blieb kaum mehr Zeit für Inhalte: Der Parteitag war von Anfang an als "Tag des Wilhelm Molterer" geplant, Sachliches wurde großteils ausgespart. Der Streitpunkt Homo-Ehe wurde elegant umschifft, indem sich die Redner gebetsmühlenartig "zur traditionellen Form der Familie ohne Diskriminierung anderer Lebensformen" bekannten.
Wenig überraschend war auch die Einstellung zum Thema Eurofighter - beispielsweise erklärte Molterer, dass die ÖVP "in der Frage der Verpflichtung für die Sicherheit des Landes nicht disponibel" sei. Unkonkret blieb seine Vision der Parteizukunft: Man wolle sich "weder nach rechts noch nach links bewegen, sondern die Mitte verbreitern, um Platz für unsere Ideen zu schaffen".
Molterers moderne Aura fand bei den Delegierten Anklang: Er wurde mit 97,04 Prozent der Stimmen zum Parteiobmann gewählt und erhielt damit sogar eine höhere Zustimmung als Wolfgang Schüssel bei seinem Amtsantritt 1995. Damals hatte er Erhard Busek mit 95,5 Prozent der Stimmen von der Spitze abgelöst.
Die vier neuen Stellvertreter Molterers erhielten ebenfalls deutliche Zustimmung von den Delegierten: Landwirtschaftsminister Josef Pröll schnitt am besten ab - er konnte 97,78 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. 96,86 Prozent stimmten für die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Elisabeth Zanon, die in ihrer Funktion bestätigt wurde. 94,64 Prozent befürworteten den steirischen Finanzlandesrat Christian Buchmann.
Deutlich abgeschlagen folgte Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky mit 85,95 Prozent. Gegenüber der "Wiener Zeitung" zeigte sich die Ministerin allerdings zufrieden über das Ergebnis. Immerhin sei sie erst drei Monate in der Politik und habe bereits viele polarisierende Themen behandelt. Außerdem "bin ich so unendlich stolz darauf, dass mir diese ÖVP, der sonst immer nachgesagt wird, sie sei so grau, so viele Vorschuss-Lorbeeren gegeben hat", meinte Kdolsky.